Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Gemischte Gefühle

Gemischte Gefühle

Titel: Gemischte Gefühle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ronald M. Hahn
Vom Netzwerk:
Herrn neunzehnhundertsechsundneunzig – zum dritten
     
    SOLIDARITÁ
     
    So stand es in roter Farbe an der Fassade des Botschaftsg e bäudes, das einer großen ausländischen Macht gehörte.
    Der letzte Buchstabe, das Ä, war unfertig und endete in einem wilden Schlenker. Die Farbe war noch frisch und tropfte an der Wand herunter wie eine Blutspur.
    Ein paar Tropfen fielen auf das in Agonie verzerrte G e sicht des Indiopriesters. Aber er merkte es nicht. Er war schon tot, als die Nationalgardisten immer noch auf ihn ei n prügelten.
     

Happy-End. Aber für wen?
     
    Ich saß in einem bequemen Ledersessel. Eine Cuba Libre stand auf einem Tablett neben mir. Sie hatten mich nicht gefesselt. Aber es war trotzdem ein Verhör.
    Nicolay schaute mich freundschaftlich über die Gläser seiner randlosen Lesebrille hinweg an.
    „ Sie wollen also das, was hier passiert ist, tatsächlich vor den Augen der Weltbevölkerung breittreten? “
    „ Da können Sie Gift drauf nehmen! “ sagte ich. Es hatte entschlossen klingen sollen, aber es kam ziemlich schwäc h lich. Ich hatte Angst. „ Was hier geschehen ist, ist so ung e heuerlich, daß es jeder erfahren muß. Ich werde es an die Presse weitergeben. “
    „ Passen Sie auf, an welche Zeitschrift Sie sich wenden. Sie könnte uns gehören “ , empfahl er mir milde.
    Seine Gelassenheit beunruhigte mich. In meinen Eing e weiden schienen Ameisen zu krabbeln. Automatisch nahm ich einen Schluck aus meinem Glas. „ Es wird auf jeden Fall rauskommen. Sowas läßt sich nicht verheimlichen. Irgen d jemand wird reden. “
    Nicolay sah seine gepflegten, sauberen Hände an. „ Nun, das glaube ich nicht. Sehen Sie, es gibt nur eine Handvoll Menschen auf dieser Insel, die wirklich wissen, was vorg e fallen ist. Die anderen wissen nur Fragmente. Das heißt, man kann ihnen alles einreden, was nur halbwegs plausibel ist. Eine plausible Lüge war schon immer die bessere Wah r heit. “
    „ Aber die Zerstörungen, die Toten … Das können Sie doch nicht einfach unter den Teppich kehren. “
    „ Nun ja, leider nicht. Aber dafür haben wir ja die Schu l digen. Wir wissen schließlich, wer dafür verantwortlich war. “
    „ Free & easy. “
    Nicolay rollte die Augen zur Decke wie ein Lehrer, der sich mit einem besonders begriffsstutzigen Schüler abplagen muß.
    „ Also wirklich, Rossi, jetzt werden Sie kindisch. Wollen Sie eigentlich nicht kapieren, was hier läuft, oder was geht in Ihrem Kopf vor? Wir können Free & easy nie beweisen, daß sie ein Attentat auf uns verübt haben. “
    „ Wir könnten uns natürlich revanchieren. Aber dann schlagen sie wieder zurück, und das eskaliert endlos. Das hat keinen Sinn. Nein, wir werden uns gütlich mit ihnen einigen. Wir werden Anteile an ihrer Ferieninsel erwerben, und sie werden sich an Holiday World beteiligen. Kapitalverflec h tung, verstehen Sie? Wir können uns dann untereinander absprechen, und obwohl, volkswirtschaftlich gesehen, ein Dyopol vorliegt, haben wir im Grunde genommen ein M o nopol. “
    Er ereiferte sich auf roboterhafte Weise. Der Nationa l ökonom, der nur an Absatzkurven und nicht an Menschen dachte, ging mit ihm durch.
    „ So ein Monopol ist natürlich optimal für die Gewinnm a ximie rung “ , plauderte er weiter aus seinem rer. pol.-Nähkästchen. „ Und wir sind zusammen so kapitalstark, daß wir jeden neuen Wettbewerber sofort eliminieren, bevor er seine Nase in den Wind gesteckt hat. “
    „ Na prächtig “ , sagte ich. „ Und so reichen sich die stre i tenden Parteien auf dem Schlachtfeld brüderlich die Hände. “
    „ So ist es “ , nickte Nicolay zufrieden. Er hatte einfach keinen Sinn für Ironie.
    „ Wen stört es schon, daß man knietief in Leichen watet “ , fügte ich ätzend hinzu. „ Höchstens ein paar Überempfindl i che wie mich. “
    „ Aber ich bitte Sie. Wegen der paar Eingeborenen. “
    „ 238 “ , murmelte ich und wunderte mich, daß das Glas in meiner Hand unter dem Druck nicht zersprang.
    „ Wen interessiert das schon? Wenn wir bekanntgeben, daß diese Wilden unsere Urlaubsgebiete überfallen und u n schuldige Touristen getötet haben, regt man sich höchstens auf, weil wir nicht mehr erwischt haben. Und bei den Le u ten, die daran teilgenommen haben, ist die gestrige Sünde n bockjagd hervorragend angekommen. Ist doch was anderes als auf Hirsche oder Fasane. Echte Wilde! Wie in der guten, alten Kolonialzeit. “
    Er bekam wieder seinen strategisch-sinnenden Blick. „ Schade,

Weitere Kostenlose Bücher