Gemischte Gefühle
von se i nem rechten Bein übriggeblieben war.
UND WIEDER SCHRIE ER.
„ Eine Million und zweihundertfünfzigtausend Dollar für ein Bein! “
Sie waren alle gekommen, das ganze Team. Alle seltsam verlegen. Das amputierte Bein wurde nicht erwähnt. Ralf verjagte sie alle, mit Ausnahme von Peter Sullivan und He l ga.
„ Ich wollte aufhören. Nun muß ich aufhören. “
Helgas Augen waren feucht. Peters Gesicht eine Maske.
„ So sagt doch endlich etwas. Ich wußte, worauf ich mich einließ. Mir war das Risiko klar. Ich habe nur ein Bein ve r loren – andere das Leben. “
Helga und Peter schwiegen.
„ Verdammt noch mal, Peter, du brauchst dir keine Vo r würfe zu machen. Du und ich, wir haben richtig gehandelt. Mein Bein war sowieso schon beim Teufel. “
Peter zuckte die Schultern. „ Was wird aus deinen Plänen, Ralf? “
„ Vermutlich wird es lange dauern, bis ich mich an die Prothese gewöhne, aber ich werde es schaffen. Ich bleibe bei meinen Plänen. Ich werde mir eine Farm kaufen und Pferde züchten. “ Er sah Helga an. „ Ich weiß nicht, ob du mich auch nur mit einem Bein willst, Helga. “
„ Ich will “ , sagte sie lächelnd.
„ Dann ist es gut “ , flüsterte er. „ Laßt mich bitte allein, ich bin müde. “
Hendrik P. Linckens
Cruise-Missile-Effekt (pat. pend.)
Ich bin sicher, man wird ihn über kurz oder lang entde c ken oder genauer – erfinden. Zugegeben, der Name klingt ma r tialisch. Das Cruise-Missile, ein perfektes Vernichtungsg e rät, findet, nachdem es einmal die Verfolgung aufgeno m men hat, unweigerlich ins fliehende Ziel … Die Pünktchen sind in diesem Zusammenhang völlig uninteressant. Es geht um die Fähigkeit, ein sich autonom bewegendes Ziel zu fi n den. Unfehlbare Zielerreichung, daher der Name.
Übertragen auf die drahtlose lichtschnelle Information s übermittlung, nenne ich diese Fähigkeit Cruise-Missile-Effekt. Dabei können Sender und Empfänger ihre Position zueinander beliebig verändern. Und damit beliebig viele Sender-Empfänger-Paare einen intimen Informationsfluß unterhalten können, sei ferner unterstellt, die CM-Information könne durch Codierung, Polarisation, Au s weichmanöver oder wie auch immer ungestört und au s schließlich ihren Adressaten erreichen. Um ein Feedback zu ermögl i chen, hat man sich natürlich Paare von Sende-Empfangs-Einheiten vorzustellen.
Der gegenläufige Informationsfluß zwischen den Einhe i ten ist als Kreislauf, präziser als Regelkreis zu denken, mit einem Leistungsvermögen, vergleichbar dem des Rücke n marks …
Phantastisch, was da auf uns zukommt …
Unaufhaltsam …
Absehbar …
Wie ein Cruise-Missile.
Das totale Medium.
Der Televivor! Ich denke da an eine geeignete Katastr o phe zur technologisch richtigen Zeit. Nicht daß so etwas wünschenswert wäre – aber denkbar. Die moralische Ve r antwortung müßte so unausweichlich sein, daß sich alle wi s senschaftlichen Bemühungen darauf konzentrierten, den O p fern zu helfen. Nach Ausmaß und Art des verursachten Le i dens halte ich einige Hunderttausende irreparable Que r schnittslähmungen für erfolgversprechend – die Bevölk e rung eine r g rößeren Stadt – bitte, ja, das mag sarkastisch klingen, ist es ja wohl auch. Denn man wird die Leute bald um ihre Fähigkeiten beneiden.
Ich wette, sie werden fliegen können …
Über ein wie auch immer geartetes Sende-Empfangs-Implantat wird ein jeder von ihnen seinen Televivor steuern, ein geflügeltes, zerbrechlich anmutendes Gerät, mannshoch, computerentworfen, aus Mikroprozessoren und Siliziumze l len zusammengefügt, jeder Quadratmillimeter so sensitiv wie menschliche Haut ein graziles Insekt, mit dem sich g e hen, fliegen, tauchen, manipulieren, sehen, hören, riechen, tasten und sprechen läßt – über jede Entfernung und drah t los.
Dank des CM-Effekts!
Und ganz nebenbei ließen sich die Pflegekosten einsp a ren. Grotesk die Vorstellung, sich vom eigenen Televivor füttern zu lassen … selbst wenn es nur ein einfacher Kabe l televivor wäre, der ja für diesen Zweck völlig ausreichen würde. Theoretisch könnte es zu diesem Prototyp kommen, etwa nach einer technologisch verfrühten Katastrophe, ta t sächlich aber nie. Das Ding hat nämlich keinen Markt – mit Kabel. Moralische Verantwortung wird erst unausweichlich, wenn etwas dabei herausspringt. Das geht uns allen so. Und die Pflegegelder wären nur ein Tropfen auf dem heißen Stein der Entwicklungskosten.
Das ist so!
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