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Gemordet wird immer

Gemordet wird immer

Titel: Gemordet wird immer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T Korber
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es da auch raus?«, fragte er. Auf das verblüffte Nicken des Assistenten hin schob er die Tür auf, trat hinaus und verschwand um die Hausecke.
    Aufatmend sog er die kühle Märzluft ein. Schon wollte er einen Kommentar zur frischen Luft murmeln, da bemerkte er den Geruch, unerwartet faulig und weder frisch noch wohltuend, wie das herrliche Panorama es doch eigentlich versprach. Alarmiert schnupperte er erneut und schaute sich dabei nach der Quelle des Gestanks um. Aber der Garten war leer. Ein noch halb zugefrorener Teich nahm den größten Teil der Fläche ein; er war umgeben von geharkten Kiesflächen, akzentuiert gesetzten Rhododendren und machtvollen, übermannshohen Tujahecken, die jeden Blick zurückwiesen, egal ob hinaus oder hinein. Steinlaternen und ein Pavillon unterstrichen den japanischen Stil. Geschmackvoll, musste Viktor zugeben, friedvoll im Grunde. Seinem Sensei hätte das sicher gefallen. Nur die Fliegen störten ein wenig. Viktor schlug nach den lästig surrenden Tieren. Dann stutzte er. Fliegen? Um diese Jahreszeit? Sein ziellos suchender Blick fiel auf seine Schuhe. Sie standen auf körnig-grauem Granit. Zwischen seinen Schuhspitzen breitete sich allerdings ein dunkler Fleck aus, braunrot, unregelmäßig und mit leicht glänzender Oberfläche. Links vor ihm war ein weiterer Klecks auszumachen, dann noch einer, und noch einer. Die Fliegen schienen diese Flecken zu lieben. Und jetzt glaubte Viktor auch, den Geruch einordnen zu können, so metallisch und irgendwie …
    Er folgte der Spur zur Pergola der Terrasse, die größtenteils von raschelndem Bambusgras verdeckt wurde. Grün wie die Augen der Kommissarin, dachte Viktor. Und wie die ihn anblicken würden, wenn er ihr das hier zeigte. »Eine Blutspur«, wisperte er, streckte die Hand aus, um das Gras beiseitezuschieben, und lugte vorsichtig um die Mauer. Dann sah er die Leiche.

11
    Das tote Reh war an den Beinen zusammengebunden und hing kopfüber vom Vordach der Seitenterrasse herab. Der weiche, verletzliche Bauch befand sich gerade in Augenhöhe. Die aufgerissenen Augen starrten leer auf den Granit. Blut war auch hier aus der Nase getropft. Eingetrocknet verkrustete es die Ohren.
    »Er nannte das sein Hobby.«
    Die erbitterte Stimme ließ Viktor herumfahren. »Was?«
    Die Frau, die an der Mauer gelehnt hatte, löste sich und kam auf ihn zu. Sie hatte die Arme verschränkt und hielt die Zipfel ihrer für die Kälte viel zu dünnen Strickweste fest in den Fäusten. Fröstelnd zog sie die Schultern hoch. »Sein Hobby«, wiederholte sie, als würde sie die Buchstaben einzeln ausspucken. »Sein Ausgleich.« Ihre vollen Lippen und ihre Augen waren perfekt, aber für einen grauen Märztag übertrieben geschminkt. Auf Viktor wirkte sie wie eine spät nach Hause gekommene Partyqueen. Jedenfalls gab sie einen denkbar großen Kontrast ab zu dem toten Reh, das leise hinter ihr im Märzwind schaukelte.
    »Ich bin Kosmetikerin«, sagte sie mit einem bitteren Lächeln. Gedanken schien sie ebenfalls lesen zu können.
    Viktor wartete. Es konnte ja sein, dass sie ihm auch ihr Alter noch freiwillig verriet.
    »Haben Sie eine Zigarette?«, fragte sie stattdessen.
    Viktor verneinte. »Aber drinnen ist ein Mensch, der zumindest eine Pfeife hat«, meinte er, »schimpft sich Assistent.«
    »Danke, ich kenne Jürgen«, meinte sie und zog ihre Jacke noch ein wenig enger. Jetzt sah er auch, dass sie darunter so etwas wie einen weißen Kittel trug, mit bambusfarbenen und silbernen Biesen. »Schließlich war er der Assistent meines Mannes.«
    »Bulhaupt war Ihr Mann?«
    »Ja.«
    »Aha.«
    Eine Weile standen sie beide wie stumme Wächter rechts und links neben dem toten Tier. Als er schon dachte, sie würde gar nichts mehr sagen, lachte sie plötzlich bitter auf. »Was glauben Sie, wie man eine lebenslange Beschäftigung mit japanischer Kalligraphie finanziert.«
    Viktor nickte langsam. »Mit einer fleißigen Frau«, stellte er fest und bedauerte in diesem Moment, keine Zigaretten zu besitzen. Er hätte ihr eine anbieten, zusehen können, wie sie sie zwischen ihre vollen roten Lippen schob. Der Detektiv und das Flittchen, Bogart und die Bacall. Nur dass solche Treffen selten in Vorstadtgärten stattfanden, die Femme fatale kein Kittelchen unter der Jacke trug, und auch der Held war selten –
    »Bestatter«, sagte Viktor, als sie ihre Frage wiederholte. Er machte eine entschuldigende Geste. »Ich bin wegen der Rede hier, Details sammeln, Impressionen.« Als sie nur den

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