Gemordet wird immer
das für seine Firma bedeutet. Haben wir uns verstanden?«
Viktor löste seinen Blick bedauernd von den Details ihrer Physiognomie. Er zuckte mit den Schultern. »Was soll ich sagen?«
»Nichts!« Sie hob abwehrend die Hände. »Sagen Sie einfach nichts.«
»Wir könnten über das Wetter sprechen«, bot er an.
Karoline Schneid schüttelte den Kopf. »Wenn Sie eine Aufgabe suchen, dann kümmern Sie sich lieber um Ihre Tante«, sagte sie. »Und um Ihren Cousin.«
»Aber … ich …«
Da war sie bereits auf dem Weg nach drinnen. Viktor hörte nur noch das Klappen der Tür.
Einen Moment lang blieb er etwas planlos auf dem Gartenweg stehen. Der Wind war wirklich verflucht kalt. Ihn fröstelte. Als er das Türschlagen erneut hörte, glaubte er erst, Karoline Schneid wäre auf ein weiteres letztes Wort zurückgekehrt, vielleicht, um ihn endgültig vom Grundstück zu scheuchen. Aber die Haustür war verschlossen und gab nichts von den spannenden Dingen preis, die sich gerade hinter ihr abspielten. Dennoch klapperte es erneut.
Neugierig folgte Viktor dem Geräusch und entdeckte einen Kellerabgang, auf dessen Absatz eine Feuerschutztür ganz leicht im Luftzug schlug. Er schaute sich noch kurz um, dann stieg er die Treppe hinunter. Die Tür war tatsächlich offen. Als er sie hinter sich zuziehen wollte, bemerkte er einen Schlüssel an der Innenseite der Tür, den er abzog, um sich den Rückweg zu sichern. Niemand sollte ihn hier versehentlich einsperren. Es roch nach feuchtem Stein, nach Staub und Putzmitteln.
Viktor wagte nicht, Licht zu machen, konnte jedoch schemenhaft Regale erkennen, auf denen sich Werkzeug zu stapeln schien. Aus einem der Nachbarräume drang das Rumpeln einer Waschmaschine. Viktor tastete sich dorthin vor und sah die Anzeige des Displays grün leuchten. Noch eine Stunde, dreizehn Minuten Waschgang; so schnell würde ihn hier wohl keiner stören. Daneben surrte still ein Trockner und verbreitete angenehm warmen Wäscheduft. Langsam entspannte Viktor sich. Er tastete nach dem Lichtschalter. Schon besser.
Er stand in einem gekachelten Kellerflur von denkbarer Harmlosigkeit, Eimer, Handbesen und Schaufel griffbereit am Fuß der Treppe nach oben. Die erste Tür links führte in eine Art Vorratsraum, wo er Reihen von Einmachgläsern und Dosen verheißungsvoll im Halbdunkel schimmern sah; soweit alles wie bei Tante Hedwig. Man trank stilles Wasser und Jever Pils.
Im nächsten Raum befand sich eine Sauna, gleich daneben eine Duschkabine mit goldfarbenen Armaturen. Die Wände zierten selbstgeschossene Fotos von Urlaubsstränden. Das Fenster, das lichtlos auf einen Kellerschacht führte, war umbauscht von üppigen Stores, in einer Ecke verstaubte eine künstliche Yuccapalme. Das Zimmer gegenüber strahlte da eine ganz andere Atmosphäre aus. Der kleine Raum war nüchtern und penibel sauber. Die eine Seite wurde eingenommen von einem Regal voller Stiefel und anderem praktischen Schuhwerk. Es roch nach Leder und Öl. Plastikflaschen trugen so verheißungsvolle Namen wie »Diana«, »Hubertus« oder »Taiga«, außerdem gab es »Buchenteer« und »Salzpaste«. Wozu der Mensch so etwas brauchte, das wussten die Götter. Viktor bemerkte auch jede Menge Werkzeug, das er nicht benennen konnte. Sein Vokabular ging über Hammer, Säge und Schraubenzieher nicht weit hinaus. Er sah diverse Haken, kleine Flaschenzüge, Waagen und Plastikwannen, dazu eine ganze Kollektion von Klingen und Multifunktionsmessern, und nahm an, dass sie nötig waren, um das Reh draußen auf der Terrasse in einen handlichen Braten zu verwandeln.
Am meisten faszinierte Viktor ein Schrank aus Metall, der die Schmalseite des Raumes einnahm. Glatt und massiv, wie er war, glich er eher einem Safe als einem Möbelstück. Viktor war gerade herangetreten, um nach einem Knauf, einer Klinke oder etwas Ähnlichem zu suchen, als er hörte, wie die Kellertür oben aufging. Verflucht, er hätte es sich ja denken können, natürlich würde auch die Polizei den Keller sehen wollen.
Das gibt einen Strafbefehl, dachte er. Gefolgt vom Ruin des Instituts. Die Schneid hatte sich dazu ja nicht gerade unklar ausgedrückt. Und gegen seinen Charme war sie ja offensichtlich immun.
Schon hörte er Schritte näher kommen. Hektisch schaute Viktor sich um. Dann war er so geistesgegenwärtig, das Licht zu löschen. Im ersten Augenblick wie blind, tastete er sich zu einem großen Garderobenschrank vor, der ihm den einzigen Schutz zu bieten schien. Der Schrank war
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