Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Gemordet wird immer

Gemordet wird immer

Titel: Gemordet wird immer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T Korber
Vom Netzwerk:
Problem geben könnte. Die Gaststätte gehörte nicht zu Tobias’ üblicher Runde. Und er wollte dort auch nicht hinein. Tobias packte sein gesamtes Verweigerungs-Repertoire aus, vom Wortstakkato über das Kopfklopfen bis zum Schreien. Und wenn Tobias schrie, konnte er klingen wie eine ganze Voliere voller Graupapageien, mit anderen Worten: laut.
    Aber Viktor war ebenso entschlossen, die Silberne Traube zu betreten, und schließlich hatte er eine Eingebung. »Du bekommst eine Cola«, sagte er und war selbst verblüfft über die Ruhe, die umgehend herrschte.
    »Cola«, wiederholte Tobias und drängte sich durch die Tür.
    Sie betraten die Gaststube. Der Tisch der Jäger war nicht zu übersehen; Trophäen pflasterten die Wand dahinter; die Köpfe von Hirschen, Füchsen, Dachsen und sogar einem Wisent starrten mit Glasaugen auf die sich lichtenden Scheitel der Männer mit ihren Bierkrügen.
    Mit einem forschen »Waidmannsheil« trat Viktor näher, erntete aber nur einen missmutigen Blick. »Ich bin von dem Bestattungsunternehmen, das die Beerdigung des Herrn Bulhaupt organisiert«, versuchte er es erneut. »Darf ich mich setzen?«
    Einer der Männer hob die Hand. »Schorsch, wo bleiben die Griesnockerln?«
    Viktor deutete das als Ja und zog sich einen Stuhl heran. »Ich habe mich gefragt, ob einer der Herren mir Auskunft über den Verstorbenen geben kann.« Er ließ seinen Blick über die Wand gleiten. »Hat er denn was von denen geschossen?«
    Einer hob den Daumen und zeigte auf das Wisent. »Den da, in Polen.«
    Ein anderer setzte den Krug ab. »Meiner war größer.«
    »Aber du hast ihm ein verdammtes Loch reingebrannt.« Die Männer lachten.
    Der Bärtige, der zuerst gesprochen hatte, wandte sich an Viktor. »Der Rainer war ein Hundertprozentiger. Ließ keine Saison aus, immer tipptopp ausgerüstet, immer nach Vorschrift unterwegs, und wenn er angelegt hat, dann hat er auch getroffen.« Er nahm einen Schluck. »Und gute Jagdreisen hat er organisiert, das muss man ihm lassen.«
    »Aha«, sagte Viktor. Aus den Augenwinkeln sah er, wie Tobias Schuhe und Strümpfe auszog. »Und der Rainer war oft hier?«
    »Jeden Freitag«, stellte der Bärtige fest. »Wie wir auch.« Er lachte seinen Kameraden zu. »Prost.«
    »Prost, Prost.« Viktor überlegte. »Und fällt Ihnen jemand ein, der dem Rainer etwas übelgenommen haben könnte? Die teure Ausrüstung vielleicht oder die Korrektheit?« Der Bärtige schaute ihn an, als hätte er gefragt, ob man Gamsbärte essen könne. Viktor schrieb ihn im Geiste bereits ab, da grunzte er endlich und rieb sich den Bart. »Der Rainer war ein bisschen eigen mit Hunden«, begann er schließlich. »Hat immer laut getönt: Wenn er mal einen in seinem Revier ohne Leine erwischt, dann knallt er ihn ohne Vorwarnung ab. Das hat er auch dem Dieter gesagt.«
    »Dieter?«, hakte Viktor nach.
    »Dieter Plautz«, antwortete ein Stiernackiger. »Der war auch immer dabei, hat beim Rainer im Revier als Gast gejagt, bis der Rainer ihm wegen seinem Hund gedroht hat. Seitdem ist der Dieter weggeblieben. Sagte, der Rainer wär ja verrückt.«
    »Und der Hund?«, fragte Viktor. Im selben Moment war vom Nebentisch ein spitzer Schrei zu hören.
    Tobias stand vor einer Dame, die energisch versuchte, ihm ein Glas aus den Händen zu winden. »Er hat von meiner Cola getrunken«, rief sie empört. Tobias kämpfte stumm.
    Viktor seufzte. »Ich werde Ihnen die Cola natürlich bezahlen«, versuchte er die Dame zu besänftigen. »Tobias, lass los. Du kriegst ja eine Cola. Ich bestell dir eine eigene.«
    Tobias ließ los. Die Dame stolperte rückwärts und schüttete sich das Getränk auf den üppigen Busen, der unter ihrem Lurexpullover wogte. Schrill schrie sie auf.
    Viktor packte seinen Cousin und verließ das Lokal, so schnell er konnte. Als sie eine Weile in der kühlen Nachtluft gegangen waren, musste er plötzlich lachen. »Du bist ja ein echter Schwerenöter«, stellte er fest. »Aber ehrlich, Tobias, du hast einen beschissenen Geschmack in Sachen Titten.«
    »Titten«, echote Tobias.
    Viktor schaute ihn an. Sein Cousin starrte auf den Boden, wie immer. Trotzdem war Viktor sicher, dass er grinste. Es wirkte ansteckend. »Böses Wort«, stellte er fest. »Ganz, ganz böses Wort. Ich sage: verbitten.«
    »Fritten«, sang Tobias. »Fritten, Fritten, Fritten.«
    So gingen sie friedlich nach Hause.
    Tante Hedwig empfing sie an der Tür. Tobias strahlte und streckte seiner Mutter die Hand entgegen. Entgeistert sah

Weitere Kostenlose Bücher