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Gemordet wird immer

Gemordet wird immer

Titel: Gemordet wird immer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T Korber
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zu kommunizieren. Und dass es ein langer, beschwerlicher, mit vielen Hindernissen gepflasterter Weg ist.«
    »Aber es ist ein Weg.« Viktor blätterte eifrig. »Und hier: Da steht auch, dass manche von ihnen besondere Begabungen haben. Einige zum Beispiel ein fotografisches Gedächtnis. Ich glaube, genau das hat Tobias auch.« Er berichtete von dem Vorfall mit den Telefonnummern.
    »Viktor, das betrifft nur einen ganz kleinen Prozentsatz dieser Menschen.«
    »Ach komm schon, Miriam. Du glaubst sogar daran, dass Grünpflanzen reden können.«
    Sie schaute ihn böse an. »Ich spüre, dass da in den Pflanzen etwas ist.«
    »Und ich«, unterbrach er sie, »spüre ganz genau, dass da in Tobias etwas steckt. Ich bin mir sicher. Bei mir zu Hause unternimmt doch keiner was. Tante Hedwig streichelt ihn wie ein Kleinkind, und sein Universum besteht aus Grimms Märchen und Bayern 3. Ich finde, wir sollten ihm eine Chance geben.«
    »Wirklich?«, fragte Miriam zweifelnd. »Hast du das Kapitel gelesen von dem Mädchen, das sich über ein Jahr hinweg die gestützte Kommunikation erarbeitet hat? Das hat mich übrigens mit am meisten berührt.«
    Viktor, der nicht mehr getan hatte, als das Ganze zu überfliegen, musste mit den Schultern zucken.
    »Sie konnte sich endlich über eine Buchstabentafel ausdrücken, indem sie darauf tippte, wie auf einer Tastatur«, erklärte Miriam. »Aber als sie so weit war und mit anderen Menschen in Kontakt hätte treten können, erklärte sie, dass sie darauf verzichten wollte. Verstehst du? Sie wollte nichts über sich erzählen, und sie wollte nichts erzählt bekommen. Der Kontakt mit ihrer Umwelt war zu viel für sie. Sie zog es vor, in ihrer eigenen Welt zu bleiben. Was ich damit sagen will, Viktor, ist: Bist du sicher, dass du das nicht nur für dich tun willst?«
    Viktor schaute sie an. »Klar«, log er und blinzelte. Wie kam es, dass er dieser Frau gegenüber immer so elend schlecht schwindelte? Er nahm ihre Hand. »Miriam, ich …«
    Sie wollte sie ihm entziehen, doch im selben Moment ergriff Tobias ihre andere Hand. Er zog sie an sein Gesicht und schnupperte daran, sehr ausgiebig, auch die Fingerzwischenräume ließ er nicht aus. An einigen Stellen leckte er probeweise. Dann, während sie ihn noch verdattert ansah, ließ er die Hand fallen wie einen Gegenstand und machte mit seinem Kuchen weiter, ohne dabei auch nur einen der beiden anzusehen. »Nette Titten«, sagte er.
    Viktor verbarg sein Gesicht in den Händen. Zu seiner Überraschung hörte er Miriam laut lachen. Als er wieder aufschaute, strich sie Tobias durch das Haar und legte ihm ein neues Stück Kuchen auf den Teller. »Was ist?«, fragte sie, als sie seinen Blick bemerkte. » Ihm gefallen meine Brüste wenigstens.«
    »Weißt du, dass du mich an meine Tante erinnerst?«
    Miriam seufzte.

28
    Am Nachmittag stand Viktor mit einem Sargmusterbuch unter dem Arm vor der Tür der Bulhaupts. Ein Pärchen, das sich heute lange im Institut über Biosärge hatte aufklären lassen, hatte ihn auf einen guten Grund für einen weiteren Besuch gebracht. Die junge Frau Bulhaupt öffnete ihm. »Dorota hat ihren freien Vormittag. Kommen Sie doch herein.« Sie wollte beiseitetreten, hielt dann aber inne. »Wer ist das?«
    Fasziniert betrachtete Tobias die untere Gesichtshälfte der Kosmetikerin. Offenbar erinnerten ihn die dicken Lippenstiftschichten an seine eigene Arbeit.
    Rasch, um einer möglicherweise unpassenden Bemerkung zuvorzukommen, erklärte Viktor: »Das ist mein Cousin. Wir arbeiten zusammen und müssen nachher gemeinsam zu einer Beisetzung, deshalb habe ich ihn mitgenommen.« Er legte Tobias kurz den Arm um die Schulter und schob ihn unauffällig über die Schwelle, die seinen Cousin zögern ließ. Gleichzeitig warf er Frau Bulhaupt einen verständnisheischenden Blick zu und hoffte, dass sie sich auf das Angebot stillen Einvernehmens einlassen würde. »Vorher würde ich Ihnen aber gerne noch unser Musterbuch mit den Särgen zeigen, wenn Sie …«
    Sie winkte ab. »Das hat meine Schwiegermutter in die Hand genommen. Sie will die Beerdigung organisieren.« Ihre Stimme wurde verächtlich.
    »Sicher, ja, ich meine, dann werde ich mich an Frau Bulhaupt senior wenden.« Er tat, als schaue er sich ratlos um. Dann trat er näher an sie heran. »Darf ich Sie um einen Gefallen bitten?« Er lächelte verschwörerisch. »Mein Cousin ist nicht ganz … Sie verstehen … Ich möchte nicht gerne, dass er die alte Dame beunruhigt. Oh, er ist ganz

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