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Gemordet wird immer

Gemordet wird immer

Titel: Gemordet wird immer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T Korber
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harmlos, keine Sorge. Meinen Sie, wir könnten ihn unten warten lassen? Vielleicht im Arbeitszimmer? Da stört er keinen, und ich kann ihm sein Album geben. Er schaut liebend gerne sein Fotoalbum an.«
    Sie hob die Brauen, stimmte aber zu, indem sie die Tür zum Arbeitszimmer öffnete. »Meinetwegen, soll er sich amüsieren. Die Antiquitäten sind weggesperrt.«
    »Danke«, erwiderte Viktor.
    »Ich sage ihr gleich, dass Sie da sind. Aber dann muss ich Sie alleine lassen, ich habe gleich noch einen Kunden.«
    »Wir kommen schon klar. Danke.« Während er mit einem Ohr verfolgte, wie Frau Bulhaupt davonstöckelte, platzierte er Tobias hinter den Schreibtisch. Der Drehstuhl schien ihm zu gefallen; Tobias spielte Karussell, und es war einigermaßen schwierig, seine Aufmerksamkeit auf die Tischplatte zu lenken. Viktor überlegte kurz, dann zog er alle Schubladen heraus, entschied sich letztlich aber für eine Ablage, die die Post der letzten Tage zu enthalten schien. Er nahm den Stapel geöffneter Briefe heraus und legte ihn vor Tobias auf den Tisch. Energisch schob er ihn mitsamt dem Drehstuhl an den Schreibtisch. »Ich will, dass du das liest, Tobi.«
    Was mache ich da eigentlich, fragte er sich, schob den Gedanken aber rasch beiseite. Was hatte er schon zu verlieren. »Wenn du das für mich liest, gibt es nachher Cola und Kuchen und …«, er überlegte, »… und ich kaufe dir eine Zeitschrift, die du ganz alleine zerschneiden darfst. Du darfst dir alle Bilder nehmen, die du magst.«
    »Miriam«, sagte Tobias.
    Viktor stutzte. »Ja, und Miriam kommt auch«, bestätigte er. »Wenn du das hier alles liest, kommt Miriam und spielt mit dir.«
    Frau Bulhaupt erschien in der Tür. »Meine Schwiegermutter erwartet Sie.« Im selben Moment schrillte eine Glocke. »Ah, das gilt wohl Ihnen.«
    Viktor nahm seine Mappe und machte sich an den Aufstieg.
    Er war dankbar, dass Frau Bulhaupt so entschlossen war. Denn in Gedanken war Viktor immer noch bei Tobias und viel zu abgelenkt, um eine größere Beratung zu leisten. Doch die war auch nicht nötig. Mit einer Geschwindigkeit, die man ihren dürren Fingern nie zugetraut hätte, blätterte sie sich durch die laminierten Seiten des Buches. Durch Brillengläser, dick wie Flaschenböden, die ihre tiefliegenden Augen grotesk vergrößerten, musterte sie kritisch das Angebot und schloss ein Modell nach dem anderen aus. Schließlich kam sie zu dem Schluss, dass es der Eichensarg mit Schnitzereien sein sollte, der teuerste, den sie im Sortiment hatten. Viktor notierte die Bestellung und fragte sich, ob Tobias unten wohl ebenso rasch blätterte.
    Zum Glück lagen der alten Dame noch einige Details zu dem wunderbaren Begräbnis am Herzen, das sie ihrem seligen zweiten Gatten seinerzeit verschafft hatte, und darüber, wie viel schlechter doch heutzutage alles war. Schließlich brach sie abrupt ab. »Was sitzen Sie hier noch rum?«, fragte sie. Als er schon aufspringen wollte, fügte sie hinzu: »Geben Sie mir mein Glas.«
    Hektisch schaute Viktor sich um. Schließlich entdeckte er auf dem Nachttisch ein Glas Wasser, das problemlos in ihrer Reichweite stand. Sie warf das Musterbuch ans Fußende des Bettes und funkelte ihn an.
    Er lächelte, stand auf und reichte ihr das Gewünschte. »Service ist unser zweiter Vorname«, sagte er.
    Sie neigte den Kopf schräg. »Wie lautet denn Ihr erster?«, fragte sie zwinkernd.
    Viktor überlegte noch, ob die alte Dame tatsächlich mit ihm flirtete, als sie von einem heftigen Klirren unterbrochen wurden.
    »Was um Himmels willen ist das?«
    Viktor, der eine ungefähre Ahnung hatte, lief zur Tür. »Ich werde nachsehen«, erbot er sich, machte noch einmal kehrt, schnappte sich sein Musterbuch und rief, während er hinauseilte: »Auf Wiedersehen.«
    Zu seiner Erleichterung kam er als Erster bei Tobias an und erfasste mit einem Blick die Situation. Offenbar hatte sein Cousin eine Schere gefunden und sich darangemacht, nach seiner Gewohnheit auszuschneiden – Bilder, Logos und was er sonst in Bulhaupts Korrespondenz interessant fand. Nach einer Weile war das aber wohl nicht mehr befriedigend gewesen, denn er hatte irgendwann die Schere gepackt und gegen eine der Glasvitrinen geworfen, die zu Viktors großer Erleichterung aber nicht zersplittert war. Er hob die Schere auf und legte die noch unversehrten Papiere zurück an ihren Platz. Dann stand er ratlos vor dem Schneegestöber aus Papierschnipseln, das sich auf dem Schreibtisch und dem Fußboden verteilte.

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