G.E.N. Bloods 1 - Eisfeuer - Felsing, K: G.E.N. Bloods 1 - Eisfeuer
hatten? Es gab keinen Grund, dass die beiden ihm einen Bären aufbanden. Andererseits bestand definitiv die Möglichkeit, dass sie sich irrten, egal, wie sicher sie zu sein schienen. Dix klammerte sich an diese Möglichkeit. Er lief langsamer und drehte sich hin und wieder nach einem Taxi um. Es war noch nicht sehr spät, die Straßen noch recht belebt. Als er glaubte, dass sein Kopf klar genug geworden war, winkte er ein Taxi heran und ließ sich nach Hause bringen. Das Haus lag im Dunkeln, kein Schimmer drang durch die geschlossenen Holzläden. Auch über der Garage brannte kein Licht mehr. Entweder war Megan nicht da oder sie schlief bereits. Er öffnete die Haustür und schlich durch den Flur. Die Schlafzimmertür lehnte nur an. Er hielt inne und lauschte. Raschelte die Decke? Schnarchte sie leise? Als er Geräusche hörte, ließ er die Stirn gegen die Wand sacken und schloss die Augen. Dass Megan im Bett lag, stellte wahrscheinlich noch keinen Beweis dar, dass sie nicht im Rio Gentlemen’s Club gewesen war, aber es untermauerte seine Überzeugung, dass sie es nicht gewesen sein konnte und seine Freunde sich irrten. Er duschte kalt und schlüpfte in Megans Bett. Sobald sein Bein ihren warmen Körper streifte, drehte sie sich auf die Seite und kuschelte sich an ihn. Dix strich ihr durch dasHaar, streichelte ihren Rücken entlang. Megan reagierte mit einem wohligen Rekeln und einem leisen Seufzen, das wie aus tiefen Träumen klang. Er flüsterte ihren Namen, lauschte auf ihren ruhigen und gleichmäßigen Atem und sank allmählich in den Schlaf, begleitet von der Überzeugung, dass Megan den Abend zu Hause verbracht hatte.
Dienstag, 16. August, Santa Monica, Los Angeles
M egans innere Uhr rüttelte sie lange vor dem Wecker wach. Sie warf einen Blick auf die grünen Leuchtziffern und streckte vorsichtig den Arm aus, um die Ausschalttaste zu treffen. Sie mochte sich nicht aus Dix’ Umarmung schälen, hätte am liebsten die Zeit angehalten, um das Gefühl seiner Nähe endlos zu genießen. Sein Arm lag um ihre Taille geschlungen, als wollte er sie im Bett fesseln. Um ihn nicht zu wecken, schob sie seine Hand Inch für Inch beiseite, hielt inne, wenn er sich rührte.
Aus dem Badezimmer, in dem es keine Holzläden am Fenster gab, fiel ein schmaler Streifen Licht in den Raum. Megan betrachtete Dix’ Gesicht, liebkoste mit den Augen die dunklen Brauen, die geschlossenen Lider, fuhr seine Nase entlang und folgte den Konturen seiner Lippen. Er wirkte im Schlaf jungenhaft und verletzlich, hatte so wenig gemein mit dem energischen, manchmal regelrecht gefährlichen Ausdruck, dass das Gefühl sie befiel, ihn schützend umarmen zu wollen, damit nichts und niemand seiner Seele Schmerz zufügen konnte. Am wenigsten wollte sie selbst ihm wehtun, doch genauso wenig durfte sie zulassen, dass ihr neues Leben ins Wanken geriet. Kristy begann gerade, den Kopf einen zehntel Inch weit aus ihrem Schneckenhaus zu strecken.
Megan wand sich aus dem Bett und schlüpfte in ihren Morgenmantel. Mit frischer Kleidung unter dem Arm schlich sie in die Küche und schrieb eine Nachricht.
Guten Morgen Dix
,
habe heute einiges zu erledigen. Vielleicht sehen wir uns später im Fitnesscenter, ich komme wahrscheinlich am frühen Nachmittag kurz vorbei. Ich freue mich auf heute Abend
.
Schon wollte sie „Ich liebe dich, Megan“ darunterschreiben, da hielt sie inne. Sie hatte ihm das bisher niemals gesagt, das konnte sie unmöglich auf einen Fetzen Papier schreiben. Auch nicht „In Liebe“ oder „Deine Megan“. Sie schrieb „Kisses, Megan“ und aus einem Impuls heraus malte sie ein Herzchen daneben.
Sie verließ das Haus und huschte zur Garage. Mit ihrer Morgentoilette hätte sie Dix geweckt und das wollte sie verhindern. Es wäre nicht gut, wenn sie sich jetzt gegenüberständen. Sie geriete wegen der Geldgeschichte in Erklärungsnot, müsste möglicherweise Ausreden erfinden, die das Netz der Täuschung und Halbwahrheiten weiter verdichteten. Ihr geplanter Tagesablauf würde das alles umgehen und Ausflüchte überflüssig machen. Wenn alles nach Plan lief. Sie straffte die Schultern in der Absicht, sich den Optimismus nicht selbst zu rauben. Vor Kristys Bett ging sie in die Hocke, strich durch das verwuschelte blonde Haar ihrer Schwester. Der asymmetrische Pagenschnitt stand ihr gut. Er betonte sowohl ihre Jugendlichkeit als auch die junge Frau, die nach dem Leben griff. Die Unbefangenheit, mit der Kristy Dix’ Kollegen begegnet war
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