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Generation A

Generation A

Titel: Generation A Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Douglas Coupland
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Abendessen zu kaufen. Wir bogen in die Collison Avenue ein und sahen dort zwei Haida-Jungs etwa in unserem Alter, die an Motorradketten vom Schild der leerstehenden Esso-Tankstelle baumelten. Schweigend musterten wir die beiden Körper, die sich sanft im Wind drehten. Ein paar Krähen auf dem Dachsims eines benachbarten Hauses wippten und krächzten, während sie auf einen günstigen Moment warteten, um sich ein paar Häppchen zu sichern.
    Diana brach das Schweigen. »Solon-Konsumenten.«
    Dann sagte Zack: »Mann, diese Haidas fackeln aber echt nicht lange. Sollten wir nicht die Bullen rufen?«
    »Wir sind auf einer abgelegenen Insel vor der Nordküste von British Columbia«, gab Diana zurück. »Selbst wenn jemand sich bereit erklärte, den weiten Weg auf sich zu nehmen, wären die Körper längst beseitigt, wenn die Ermittler hier ankommen, und irgendwas sagt mir, dass sie bei den Haidas auf eine Mauer des Schweigens stoßen würden.«
    »Stimmt.«
    Wir hielten es für das Beste, nicht gaffend herumzustehen, und gingen statt dessen runter zum Hafen, wo wir die beiden Leichen mit keinem Wort erwähnten und auch von niemandem darauf angesprochen wurden.
    Wir tauschten eine Disc von Zack, die hundertachtundzwanzigtausend enthielt - so ziemlich alles, was zwischen 1971 und 1980 produziert worden war -, gegen eine mittelgroße Flunder. Das Angebot war ziemlich mickrig, aber das, was wir zum Tausch anbieten konnten, war schließlich auch nicht besser.
    Während wir den Preis verhandelten, sprach Diana mehrere Einwohner an, bei denen sie später am Tag unbedingt eine professionelle Zahnreinigung vornehmen wollte - auch wenn sie immer etwas anderes behauptet, die Frau liebt ihren Job. Auf dem Rückweg sagte sie: »Die zwei Erhängten sind die ersten Solon-Konsumenten, die sie erwischt haben. Offenbar laufen hier noch Dutzende von denen rum.«
    Serge kam uns entgegen, die Hände in den Taschen seines Eurokratenjacketts, das im salzigen, böigen Wind flatterte.
    Julien sagte: »Ich verstehe nicht, warum man sie gleich umbringen musste. Können sie ihnen nicht einfach aus dem Weg gehen?
    Oder sie so lange einsperren, bis das ganze Solon aus ihrem Organismus rausgeschwemmt ist?«
    Serge sagte: »Das Problem ist, dass der Rest des Stammes ihnen nie wieder ganz vertrauen würde. Würdet ihr das? Alle Stammesangehörigen wissen ja dann, dass die Solon-Konsumenten im Grunde viel lieber allein wären, als mit ihnen zusammen zu sein.«
    Wieder zu Hause, säuberten und garten wir die Flunder und schwiegen, während sich jeder von uns über die Solon-Lynchjustiz seine Gedanken machte.
    Sechs schweigende Leute in einem Raum, das ließ mich an die Stimme denken, die wir in unserem Kopf hören, wenn wir lesen, diese universelle Erzählerstimme, die ihr in genau diesem Moment wahrscheinlich auch hört. Wessen Stimme hört ihr da? Nicht eure eigene, oder? Dachte ich's mir. Die ist es nie. Also warf ich die Frage in die Runde. Serge, der in der Kochecke war und eine wissenschaftliche Arbeit im Internet las, schoss hoch, als hätte ich ihm gerade einen Besenstil in den Solarplexus gerammt. »Was hast du gesagt?«
    »Wenn ihr ein Buch lest, wessen Stimme hört ihr dann in eurem Kopf?«
    »Jedenfalls nicht meine eigene«, sagte Harj, und die anderen äußerten sich ähnlich.
    »Wessen denn dann?«
    Ich sagte, die Stimme meines inneren Erzählers erinnere mich an die eines Nachrichtensprechers - artikuliert, aber auswechselbar.
    »Mit neuseeländischem Akzent?«, fragte Harj.
    »Einem ganz leichten. Aber vielleicht auch nicht. Eher nicht, wenn ich drüber nachdenke.«
    Nachdem wir eine Weile diskutiert hatten, herrschte Einigkeit, dass unsere inneren Stimmen alle wie die von Nachrichtensprechern aus dem Fernsehen klangen.
    Diana hatte eine Theorie dazu: »Das liegt daran, dass man eine Geschichte beim Schreiben aus sechsundzwanzig Buchstaben zusammenstückelt und damit organische, gesprochene Sprache in winzige Liegenschaften verwandelt, die man als Satz oder Absatz bezeichnet. Und wenn das geschehen ist, kommt der Leser, sieht diese kleinen Liegenschaften und bläst sie im Gehirn wieder zu Worten auf. Aber weil man bei diesem Vorgang nur sechsundzwanzig sterile kleine Buchstaben verwendet hat, sind die gesamte Melodie und Schludrigkeit einer authentischen menschlichen Stimme verloren. Du hast aus Sprache etwas Homogenisiertes und Steriles gemacht. In deinem Kopf hüpfen zwar Laute herum, aber es sind eigentlich nur die Geister von

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