Generation A
Kopf am Wohlfühlort. Ein sehr subtiles Ende, Zack.«
»Danke.« Und dann versuchte ich mir das Neuromasturbationsäquivalent von Kleenex zu denken.
SAMANTHA
Was für ein erbärmlicher Morgen. Nach Zacks Zeichentrickstory waren wir alle eingeschlafen und erst von der Kettensäge unseres Nachbarn wieder geweckt worden - eines alten Knackers, der damit Adler und Wale schnitzt und sie gegen Pornokassetten aus Malaysia eintauscht, wenn zweimal im Jahr eine Abbruchkolonne kommt, um eine weitere Komponente der alten, zum ehemaligen Frühwarngürtel gehörenden Radarstation neben dem Flugfeld zu demontieren und zu verscherbeln. Wir fünf guckten nicht jung, sexy, übermütig und mit charmant verstrubbelten Haaren aus der Wäsche, wir sahen eher wie fünf Hobos aus, die sich einen Güterwaggon geteilt und ihn verdreckt hatten. Die Muster des Flechtteppichs hatten tiefe Abdrücke auf unseren Gesichtern hinterlassen, und der gummiartige Gestank des billigen Fusels kam uns aus allen Poren wie Rotze aus einer laufenden Nase.
Ich rieb mir die Augen und erinnerte mich an unser Geschichtenerzählen am Vorabend. Es war irgendwie so ... heimelig gewesen.
Fast wie bei Fünflingen, die sich einen Uterus teilen. Juliens Blick fiel auf mich, und an der Art, wie er wieder wegschaute, konnte ich ablesen, dass er ähnlich empfand. Und außerdem hatten wir alle einen höllischen Kater.
Das Dröhnen in meinem Kopf ließ mich unwirsch und zänkisch werden gegenüber Serge, der schon seit Stunden auf war und sich am Küchentisch Notizen machte. Ich wollte jetzt von ihm wissen, was man in Haida Gwaii, abgesehen vom Geschichtenerzählen, noch von uns erwartete. Er machte ein Gesicht, wie er es wahrscheinlich auch gemacht hätte, wenn wir seine Kochkunst beleidigt hätten.
»Reine Wissenschaft, Samantha. Vertrau mir einfach, und tu, was ich dir sage.«
»Geschichten zu erzählen ist wissenschaftlich? Seit wann?“
»Du weißt doch, was Eonen sind, oder?«
»Diese kleinen Proteine. Die Dinger, die man vor ein paar Jahren entdeckt hat.«
»Wenn du mit ›man‹ mich meinst, liegst du richtig.“
»Du hast die Eonen entdeckt?«
»Nicht alle. Aber ich habe ein paar hochspezialisierte Mikroproteine isoliert - Neuroproteine, um genau zu sein.“
»Ich bin beeindruckt.“
»Vielen Dank.«
»Und was haben die Eonen nun damit zu tun, dass wir uns Geschichten ausdenken?«
Serge ließ ein herablassendes Seufzen hören. »Beim Geschichtenerzählen bildet der Körper ein spezielles Eon und schüttet es aus wie eine Art Sekret.«
»Im Ernst? Verarschst du mich auch nicht?«
»Nein, Sam, das tue ich nicht.«
»Und warum willst du, dass wir diese ... Sekrete bilden, diese Eonen?«
»Bitte vertrau mir doch erst mal.«
In meinem Hinterkopf steckte bereits der Eispickel eines imaginären Serienmörders, daher hatte ich keine Lust mehr auf wissenschaftliche Dispute mit Serge.
Diana kam zur Haustür herein und parkte ihren Hintern an der Tischkante. »Was läuft hier eigentlich mit dem Solon?«
»Bitte?« Serge war barsch, er war nicht der Typ, der einen fast schon aufsässigen Tonfall tolerierte.
»Solon. Irgendwer schmuggelt es lastwagenweise auf die Insel.
Es ist offenbar schon zu einem ernsten Problem geworden. Ich habe gestern jemanden an den Docks gesehen, und sein Gesicht sah aus wie ein Stück rohes Fleisch. Irgendwer hat ihn zusammengeschlagen, und ich gehe jede Wette ein, dass es da einen Zusammenhang gibt.«
»Ich fände es sehr bedauerlich, wenn Solon auf die Insel käme«, sagte Serge. »Das wäre das Ende der Haidas.“
»Meinst du?«
»Certainement. In der Theorie zumindest. Niemand hat es bislang wirklich untersucht. Solon ist ein neues Medikament, und über die tiefgreifenderen Auswirkungen auf die Gesellschaft können wir bisher nur spekulieren.
»Hast du es mal genommen?«
»Ja.«
»Dann nimmst du es auch jetzt noch. Wie man hört, hat es größeres Suchtpotential als Oxy oder Meth«, sagte Diana.
»Glaubt mir, die Berichte darüber sind reine Panikmache. Und das Erste, was die Haidas mir verpasst haben, als ich hier ankam, war eine gründliche Leibesvisitation. Ergebnis: Serge hat kein Solon.«
Ich dachte: Ist schon ein bisschen unheimlich, wenn jemand von sich selbst in der dritten Person spricht.
Serge fuhr fort: »Und jetzt denkt bitte wieder an euer Geschichtenerzählen. Diana, magst du den anderen später nicht das Bienenstock-Denkmal zeigen?«
Um Mittag herum spazierten wir zum Hafen, um Fisch fürs
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