Generation Gold
stabilisieren. Was war geschehen? Ende 1960 zeichnete sich bereits ab, daß der junge Senator J. F. Kennedy zum Präsidenten gewählt werden könnte, sodaß viele europäische Investoren aus Angst vor einer steigenden Dollar-Inflation begannen Gold zu kaufen und dadurch der Goldpreis am freien Markt in London über die 40-Dollar-Marke kletterte.
London war seit dem Beginn des 20. Jahrhunderts der wichtigste Handelsplatz für physikalisches Gold. Das gesamte Gold des weltweit größten Produzenten Südafrika wurde hier verkauft, ebenso Gold aus Rhodesien (dem heutigen Simbabwe), Ghana und Rußland. Bis zum Jahr 1968 wurden ca. 80 Prozent des weltweit geförderten Goldes in London gehandelt. Seit seiner Einführung im September 1919 war die tägliche Preisfestlegung des Goldpreises, »London Gold Fix« genannt, das wichtigste Ereignis für die Händler auf der ganzen Welt. Erst 1968 wurde neben dem Vormittagsfixing auch das Nachmittagsfixing des Goldpreises eingeführt, das mit der Eröffnung des amerikanischen Goldmarktes zusammenfällt. In den 1950er und den meisten der 1960er Jahren bewegte sich der Preis des Goldes nur sehr selten außerhalb der Bandbreite zwischen 35 und 35,20 Dollar, und eine tägliche Bewegung von mehr als zwei Cent verursachte bereits Schlagzeilen in der Presse. Vor diesem Hintergrund kann man erahnen, was der Anstieg des Goldes auf über 40 Dollar pro Unze in der Finanzwelt ausgelöst haben muß.
Aus amerikanischer Sicht war es auch deshalb wichtig, daß der Londoner Goldpreis bei 35 Dollar blieb, weil die europäischen Zentralbanken in diesem Fall ihr Gold dort am freien Markt kaufen würden und nicht die höheren Kosten für Fracht und Versicherung von amerikanischem FED-Gold zu bezahlen hatten.
Das Londoner Verkaufskonsortium bestand aus den Zentralbanken der USA, Deutschlands, Großbritanniens, Italiens, Frankreichs, der Schweiz, der Niederlande und Belgiens. Jeder Konsorte zahlte einen gewissen Betrag an Gold in den Pool ein, mit dem die Bank of England am Markt intervenieren konnte, wenn der Preis zu steigen drohte. Mit anderen Worten: Im Falle eines steigenden Preises verkauften die Zentralbanken einfach ihr Gold auf dem Markt, um die Nachfrage bedienen zu können und damit den Preis wieder sinken zu lassen. Der Plan war zudem, das so verlorengegangene Gold bei fallenden Preisen dann wieder zurückzukaufen.
Doch wie immer war auch hier der Markt im Laufe der Zeit stärker als alle Fesseln. Mitte der 1960er Jahre verkaufte der Pool kontinuierlich mehr Gold, als er in Phasen schwächerer Preise wieder zurückgewinnen konnte. Im November 1967 wurde das britische Pfund abgewertet, was einen neuen Zustrom zum Gold auslöste. Die Auslagen der Zentralbanken stiegen immer weiter an. Der Rückzug der Franzosen aus dem Gold-Pool und die gleichzeitige Forderung von Gold gegen Papier-Dollar von Charles de Gaulle sowie der eskalierende Vietnam-Krieg brachten dann das (vorläufige) Ende der Manipulationen. Die Nachfrage nach Gold war so groß, daß die Zentralbanken dem nichts mehr entgegenzusetzen hatten. Der Markt hatte gewonnen, das Bretton-Woods-System und der Gold-Pool waren gescheitert.
Sucht man heute nach der Definition des Gold-Pools, erhält man z. B. die folgende Auskunft:
»Repräsentanten von sieben Ländern, die ohne Erfolg zwischen 1961 und 1968 versuchten, den Goldpreis bei 35 Dollar je Unze zu stabilisieren.« [4.9]
In der Folge wurde ein zweigeteilter Goldpreis eingeführt (»Two-tier Market«): Die Zentralbanken handelten Gold untereinander noch immer zum Preis von 35,20 Dollar je Unze, während der freie Markt seinen eigenen Preis finden durfte. Selbiger stieg dann auch bis Anfang der 1980er Jahre bekanntlich bis auf 850 Dollar an (2400 Prozent Kursgewinn). Inflationsbereinigt entspricht dies heute einem Wert von rund 2090 Dollar je Unze (Quelle: Konsumentenpreisrechner der Federal Reserve Minneapolis, Stand Ende 2006). Der Gold-Pool hatte alle Beteiligte mehrere Milliarden Dollar gekostet, und die Bank von England gewann danach nie mehr ihre Position und Reputation zurück. Ein Londoner Goldhändler soll gesagt haben, daß die Bank von England nicht mehr »Herr im Hause« sei, sondern nur noch eine Poststation oder ein Lagerhaus, in dem Gold aufbewahrt wird, bis es auf den Markt kommt [4.10].
Die Amerikaner hatten 1971 von ihren 21 770 Tonnen Gold, über die sie Ende 1949 verfügten, nur noch 9070 Tonnen übrig — ein Einbruch von 58 Prozent [4.11]. Zürich wurde zum
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