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Generation P

Generation P

Titel: Generation P Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Viktor Pelewin
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belemmerten historischen Geschicke seines Vaterlandes wußte. Bevor er an die Arbeit ging, las er noch einmal einige ausgewählte Kapitel seiner Bibel – Positioning: a battle for your mind –, dazu einen Haufen Zeitungen verschiedenster Couleur. Letzteres hatte er eine Ewigkeit nicht mehr getan, und das Gelesene verwirrte ihn sehr. Was dem Ergebnis natürlich anzumerken war.
    Vorrangig in Betracht zu ziehen ist, daß die gegenwärtig in Rußland herrschende Situation nicht lange Bestand haben kann. Für die nahe Zukunft steht zu erwarten, daß ein Großteil der lebensnotwendigen Produktionen zum Erliegen kommt; mit einer Finanzkrise und ernsthaften sozialen Erschütterungen ist zu rechnen, was wiederum unweigerlich die Errichtung einer Militärdiktatur nach sich ziehen dürfte. Die künftige Diktatur wird, ganz gleich, welches politische und ökonomische Programm sie verfolgt, auf nationalistische Losungen zurückgreifen; zur gültigen Staatsästhetik wird der pseudoslawische Stil erklärt. (Dieser Teminus sei hier nicht negativ-wertend gebraucht. Im Unterschied zum slawischen Stil, der in natura nicht existiert, folgt der pseudoslawische Stil einem klaren, entwickelten Paradigma.) In seinem semiotisch-symbolischen Geltungsbereich ist westliche Reklame herkömmlicher Form nicht denkbar. Sie wird hier entweder strikt verboten oder aber einer strengen Zensur unterworfen sein. Dies gilt es zu beachten, wenn eine einigermaßen längerfristige Strategie zu entwickeln beabsichtigt ist.
    Betrachten wir den klassischen Positionsslogan Sprite – The Uncola. Seine Verwendung in Rußland erscheint äußerst zweckmäßig, wenn auch aus anders gelagerten Ursachen als in Amerika. Bekanntlich positioniert der Terminus Uncola (svw. Nicht-Cola) die Marke Sprite ausnehmend erfolgreich gegenüber Pepsi-Cola und Coca-Cola, verschafft dem Produkt eine exklusive Nische im Bewußtsein des westlichen Konsumenten. Nun ist aber Coca-Cola in den Ländern Osteuropas viel eher ein ideologischer Fetisch als ein Erfrischungsgetränk. Sie hat den »Geschmack der Freiheit«, wie dies von der Phalanx osteuropäischer Überläufer in den siebziger und achtziger Jahren immer wieder verkündet wurde. Mithin wäre der Begriff Uncola für unseren einheimischen Konsumenten stark antidemokratisch und antiliberal konnotiert, was ihn für eine Militärdiktatur wiederum ausgesprochen attraktiv und verheißungsvoll machte.
    Ins Russische übersetzt, würde Uncola zu Nje-Cola. Im Klang (der an den Vornamen Nikola erinnert) ebenso wie in den geweckten Assoziationen schreibt sich das Wort hervorragend in die Ästhetik der zu gewärtigenden Zukunft ein. Mögliche Slogans:
    Sprite. Die NjeCola für Nikola
    (Nachzudenken wäre, ob man den Konsumenten mit einer Figur namens Nikola Spritow konfrontiert – analog Ronald McDonald, jedoch ausgesprochen national im Geiste.)
    Sprite. Die NjeCola.
Für die läßt Nikola die letzte Kohle da.
    (Letztere Variante ist randgruppenfokussiert.)
    Ferner sollte unbedingt über ein verändertes Produktdesign für den russischen Markt nachgedacht werden. Auch hier ließen sich Elemente des pseudoslawischen Stils verwenden. Als ideales Symbol bietet sich die Birke an. In diesem Fall wäre die traditionelle Dosengrundfarbe Grün durch eine Birkenstamm-Imitation – weiß mit schwarzen Streifen – zu ersetzen. Textbeispiel für einen Werbespot:
    Ich ging im Wald so für mich hin
Nach Birken-Sprite stand mir der Sinn . . .
    Pugin überflog das von Tatarski mitgebrachte Manuskript und sagte:
    »Der Claim The Uncola gehört übrigens SevenUp, nicht Sprite.«
    Danach sagte er eine Weile nichts und ließ seine Knopfaugen auf Tatarski ruhen. Dieser schwieg ebenfalls und versuchte sich zu erinnern, wie oft er in seinem Leben in einer vergleichbar peinlichen Situation gewesen war.
    »Macht aber nichts«, erbarmte sich Pugin endlich zu sagen. »Läßt sich trotzdem gebrauchen. Wenn nicht für Sprite, dann eben für SevenUp. Du kannst die Prüfung als bestanden ansehen. Jetzt probier dich ruhig mal an einer anderen Marke aus.«
    »An welcher denn?« fragte Tatarski erleichtert.
    Pugin überlegte, wühlte in den Taschen und reichte ihm schließlich eine halb aufgerauchte Schachtel Parliament.
    »Du kannst dir gleich noch ein Plakat dazu ausdenken.« Parliament war schwieriger zu packen. Für den Anfang schrieb Tatarski das Übliche aufs Papier:
    Zweifellos ist bei der Erarbeitung einer seriösen Werbekonzeption zuvörderst in Betracht zu

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