Generation Wodka
Es gibt viele Gründe, warum schon junge Menschen immer wieder zur Flasche greifen. Es ist jedoch auch so, dass man oftmals vergeblich nach einleuchtenden Gründen für den massiven Alkoholmissbrauch sucht. Vielfach ist das auch darauf zurückzuführen, dass die Jugendlichen, besonders bei hochprozentigen Getränken, schlichtweg die Auswirkungen nicht einschätzen können und auch ihre Grenzen nicht kennen. Sie trinken sich also nicht absichtlich ins Koma, sondern landen zu ihrer eigenen Verwunderung überraschend schnell dort.
Dazu kommen Unbekümmertheit, Ãbermut und Imponiergehabe. Jugendliche denken im Allgemeinen nicht an Tod oder Krankheit und dass beides auch sie in ihren jungen Jahren treffen kann. Es müssen immer wieder junge Menschen sterben oder gesundheitlich stark geschädigt werden, damit die Ãffentlichkeit schlaglichtartig auf die Gefahren übermäÃigen Trinkens aufmerksam wird und sie wahrnimmt. Oft bewerten Veranstalter von Festen und auch Händler, die mit Alkohol Geschäfte machen, ihren Profit höher als ihre moralische Verantwortung. Auch das ist natürlich nicht einfach, denn die Aushilfskraft im Festzelt betrachtet sich natürlich nicht als âErzieherin der Nationâ. Auch bei ihr muss am Abend die Kasse stimmen. Manchmal ist es auch nur eine gewisse Gleichgültigkeit unter Erwachsenen, die Kinder zu Opfern werden lässt.
Die Zahlen sind erschreckend genug. Dahinter stecken â wie so oft â Einzelschicksale, die uns viel betroffener machen als nackte Tabellen. Andererseits machen erst die Statistiken deutlich, dass die âGeneration Wodkaâ keine bedeutungslos kleine Randgruppe ist, sondern aus der Mitte der Gesellschaft kommt, in dieser Gesellschaft leidet und für diese Gesellschaft eine zunehmende Herausforderung und auch Gefahr darstellt.
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Marek â Der Totschläger
Marek stampfte in seinen schweren Stiefeln durch den kleinen Garten einer Berliner Vorortsiedlung. Es flimmerte vor seinen Augen. Den ganzen Tag und auch die Nacht zuvor hatte er getrunken. Der Wodka war in Strömen geflossen, wie schon so viele Nächte und Tage zuvor.
Marek war sichtlich genervt. Seine Freundin Tanja stand vor dem Haus seines besten Kumpels und wollte Marek offensichtlich abholen. Das regte ihn fürchterlich auf. Alles, was nach Kontrolle oder Bevormundung roch oder auch nur ansatzweise so verstanden werden könnte, brachte ihn in Rage. Und seine Freundin war nicht allein. Moritz, ein entfernter Cousin, stand neben ihr, und beide lieÃen sich nicht abweisen, so sah es jedenfalls aus. Sein Kumpel Björn, ein untersetzter, stämmiger Typ, diskutierte mit den beiden.
Marek kochte innerlich. âWas haben die Alte und ihr bescheuerter Begleiter hier zu suchen?â Er stampfte einen Schritt weiter und explodierte fast. Hinter seinem Mädchen stand dieser kleine Bastard, ein Junge, vier Jahre alt, aus einer anderen Beziehung. Plötzlich ging die Pforte auf. Die drei standen bereits im Garten. Einige Schritte vor der Pforte blieb Marek stehen. Auf der anderen Seite der StraÃe bemerkte er das kleine Auto des Cousins, darin eine weitere Person. Wer darin saÃ, das konnte man aus der Entfernung schlecht erkennen, aber es war wohl Tanjas Mutter. Wer auch sonst. Die hatte ihn schon vom ersten Tag seiner neuen Beziehung an genervt.
Einen Moment zögerte Marek. Er holte eine Zigarette aus der Packung, die letzte, zündete sie an und warf das leere Päckchen in das kleine Gemüsebeet direkt neben ihm. Sollte er es den dreien mal so richtig zeigen? Schläge verdient hatten sie alle und er fühlte sich stark. Warum nervte seine Freundin schon wieder und was hatte ihr Kind hier zu suchen? Das ärgerte ihn sowieso, denn immer, wenn er ihr an die Wäsche wollte, war der Junge da. Der Zwerg stand in diesen Situationen buchstäblich zwischen ihnen und verhinderte das körperliche Vergnügen, das Marek als Mann so oft suchte.
Seine Freundin liebte ihn, da durfte er sich sicher sein. Schon etliche Male war ihm ihr gegenüber die Hand ausgerutscht. Ein blaues Auge, grünblaue Flecken am ganzen Körper waren die Folge. Was stellte sich die Alte auch so zickig an! Selbst schuld. Es gab Hunderte von Gründen, ihr zu zeigen, wer der Chef im Ring war.
***
Marek ist der Sohn russischer Eltern. Sein Geburtsort liegt rund 200 Kilometer östlich von Moskau entfernt. Seine Eltern hatten das
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