Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Generation Wodka

Generation Wodka

Titel: Generation Wodka Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marcus Mockler , Wolfgang Büscher , Bernd Siggelkow
Vom Netzwerk:
Überraschenderweise tätschelte sie Mareks Wange und sagte: „Wir müssen Moritz ins Krankenhaus bringen. Ich kenne ihn gut, es sieht wirklich schlecht aus.“
    Moritz brachte kein Wort über seine Lippen. Er konnte nur sehr schlecht stehen und presste beide Hände auf seinen Bauch. Es sah aus, als schüttelten ihn schwere Krämpfe.
    Marek und seine Freundin funktionierten nun auf einmal wie ein perfektes Team. Sie verzieh ihrem Freund immer wieder. Wie oft hatte sie schon Schläge einstecken müssen, aber die Liste ihrer Entschuldigungen für die erlittenen Erniedrigungen wurde immer länger. „Wenn er nicht betrunken ist, kann er ganz lieb sein.“ Das war ihr Lieblingssatz. Aber Marek war fast immer betrunken und sie wusste das auch. Psychologen nennen das Phänomen Kodependenz – eine geradezu krankhafte gegenseitige Abhängigkeit, die auch durch zugefügtes Leid nicht kuriert wird.
    Die beiden nahmen jetzt den Cousin in ihre Mitte und schleppten ihn in Richtung Auto. Mareks Kumpel, der ebenfalls betrunken war, stolperte zurück in Haus. Er wollte mit der aus dem Ruder gelaufenen Sache nichts zu tun haben.
    Tanjas Mutter dagegen stieg aus und half jetzt mit. Ihre Lebensphilosophie lautete: „Wer A sagt, muss auch B sagen.“ Auch sie wurde regelmäßig verprügelt, und zwar von Tanjas Vater. Sie nahm ihn danach ebenfalls immer sofort in Schutz. Wie ihre Tochter suchte auch sie die Schuld immer bei sich selbst und nicht bei ihrem versoffenen Mann.
    Die Familienmitglieder quetschten sich in das Auto und Marek fuhr ungeachtet seines dramatischen Promillewertes los. Wenn Marek Auto fuhr, dann nie als Beifahrer – und das erst recht nicht, wenn eine Frau ans Steuer wollte. Dort hatten Frauen nichts zu suchen, da ließ er weder nüchtern noch im Suff mit sich reden. Schon nach wenigen Hundert Metern fing der verletzte Moritz an, schnell und flach zu atmen. Es hörte sich an, als bekäme er kaum Luft. Bis zur Klinik waren es noch einige Kilometer. Auf die Idee, einen Krankenwagen zu rufen, kam in dieser Situation keiner. Stattdessen drückte Marek aufs Gas und überfuhr bei Rot eine Ampel, und das auch noch mit viel zu hoher Geschwindigkeit. Den Blitz aus dem grauen Kasten bekam er nicht mit, nur seine Freundin. Marek fühlte sich wach, ja topfit.
    Der Zustand von Moritz wurde immer schlechter. Speichel lief ihm aus dem Mund und tropfte auf seine Hose. Plötzlich atmete er ganz scharf ein – und danach entwich jegliche Anspannung aus seinem Körper. Kein Lebenszeichen mehr. Plötzlich schauten sich alle im Auto beklommen an. Der Kleine wimmerte, alle anderen waren ruhig. Moritz rührte sich nicht mehr. Keiner sprach es aus, aber alle wussten es: Moritz war tot.
    Am Krankenhaus angekommen luden Sanitäter Moritz aus und legten ihn auf eine Trage. Sie rannten durch die Haupteingangstür und versuchten noch in der Lobby, ihn wiederzubeleben. Vergebens. Moritz’ Herz war nicht mehr bereit, die Arbeit noch einmal aufzunehmen.
    Der Rest der Familie saß in der Zwischenzeit schon wieder im Auto und fuhr nach Hause, als sei nichts gewesen. Dort angekommen wusch Tanja sofort die Kleidung von Marek, um mögliche Spuren zu verwischen. Alle waren fürchterlich nervös. Tanja goss sich ein Glas Wein ein und leerte es in einem Zug.
    ***
    Einige Stunden später stand die Polizei in der Tür und nahm Marek fest. Sein Freund hatte wohl geplaudert. Die Kleidung aus der Waschmaschine wurde beschlagnahmt, eingepackt und mitgenommen.
    Tanja versuchte, ihren Freund zu schützen. „Moritz, mein Cousin, hat ihn angegriffen, es war Notwehr.“
    Dieses Mal steckte Marek aber wirklich in Schwierigkeiten. Alles Leugnen nutzte nichts. Auch Tanjas Mutter, die ja mit im Auto gesessen hatte, beschuldigte das tote Opfer, aber selbst das half nichts. Der Kumpel, der alles mit angesehen hatte, packte weiter aus, und das richtig. Er befürchtete eine Anklage wegen unterlassener Hilfeleistung, und seine Zeugenaussage konnte ihm schließlich helfen, glimpflich davonzukommen. Hinzu kam zum Nachteil von Marek einige Tage später das Foto aus dem Blitzer mit dem betrunkenen Täter am Steuer.
    Marek wurde zu 9 Jahren Gefängnis verurteilt. Tanja und die zukünftige Schwiegermutter halten weiter zu ihm, obwohl der Cousin Tanja eigentlich nur hatte beschützen wollen. Beide sagen heute noch. „Wenn Moritz sich nicht

Weitere Kostenlose Bücher