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Generation Wodka

Generation Wodka

Titel: Generation Wodka Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marcus Mockler , Wolfgang Büscher , Bernd Siggelkow
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Monat merkte Kerstin, dass sie schwanger war. Sie hatte diese Schwangerschaft wohl verdrängen wollen.
    Bert hat sie bis heute nicht wiedergesehen. Er weiß zwar, dass er einen kleinen Sohn hat, aber es hat ihn nicht sonderlich interessiert. Bert ist übrigens vier Wochen später noch einmal Vater geworden, von einem Mädchen, das Kerstin aus ihrer Schule kannte. Auch um dieses Kind kümmert er sich nicht.
    Kerstin schleppt ein großes Problem mit sich herum, und sie traut sich kaum, es jemandem zu erzählen: Sie ekelt sich vor ihrem eigenen Kind. Armin erinnert sie täglich an dieses schreckliche Weihnachtsfest vor zwei Jahren. Er hat sehr viel Ähnlichkeit mit seinem Erzeuger. Tausende von Malen hat sie sich schon Vorwürfe gemacht, weil sie mit diesem Typen ins Bett gegangen ist. Seitdem spielen Jungs und Männer in ihrem Leben sowieso keine Rolle mehr und Sex geht schon gar nicht. Immer hat sie Bert vor Augen.
    Kerstins Mutter ist ihr auch keine große Hilfe. „Ich fange doch nicht noch mal von vorne an!“, hatte sie ihre Tochter angeschrien, als die sie um Hilfe bei der Betreuung ihres Kindes bat. Dabei hätte ihre Mutter die Zeit dafür, denn sie lebt von Transferleistungen. Kerstin will eine Ausbildung machen und sucht daher einen Betreuungsplatz für den kleinen Armin. Doch das ist nicht so einfach.
    Ihre Mutter willigte schließlich ein, zumindest an einem Nachmittag in der Woche auf das Kind aufzupassen. Damit kann Kerstin sich aber einen Ausbildungsplatz abschminken. Die Situation mit ihren Gefühlen gegenüber ihrem Kind wird immer komplizierter. Sie kann Armin im Moment nicht einmal auf den Arm nehmen, geschweige denn mit ihm schmusen.
    Nach einem Gespräch mit dem Jugendamt – ihre Mutter hatte dort angerufen – überlegt Kerstin nun, ihren Jungen in eine Pflegefamilie zu geben. „Vielleicht will ich ihn ja später wieder zurück, wenn ich älter bin“, ist eine ihrer Überlegungen. Die Verlockung, wieder unabhängig zu sein, ist groß. Und für den Kleinen wäre es vielleicht wirklich besser, in einer Familie zu sein, die ihn wirklich lieb hat.
    In den Wochen nach Armins Geburt war die Gewissheit über Kerstin hereingebrochen, dass sie dieses Kind niemals würde lieben können. Sie empfand seine allgegenwärtige Anwesenheit vom ersten Tag an als einen Stachel in ihrem Fleisch. Sie sehnt sich stündlich, ja minütlich danach, dieser Qual ein Ende zu bereiten.
    Einmal konnte sie sich gerade noch beherrschen; sie war ganz kurz davor, ihr Kind zu schlagen. Armin hatte über eine Stunde lang ununterbrochen geschrien und sie wollte einfach nur noch ihre Ruhe.
    Bald würde sie die neuen Pflegeeltern für ihren kleinen Jungen kennenlernen. „Wenn die einigermaßen nett sind, können sie ihn gleich mitnehmen“, so Kerstin. Ob sie überhaupt noch einmal Kinder haben möchte, das weiß sie nicht genau. Jedenfalls will sie noch einmal von vorne anfangen.
    Ãœbrigens: Alkohol hat sie nie wieder getrunken. Das Zeug macht sie bis heute verantwortlich für diese eine Nacht, die alles verändert hat.
    ***
    Nachtrag: Armin ist heute bei sehr netten Pflegeltern und hat sich gut eingelebt. Kerstin wohnt seit März 2011 mit ihrem neuen Freund zusammen. Den hat sie eine Woche nach dem Auszug von Armin kennengelernt. Kerstin ist wieder schwanger. Sie freut sich auf das Kind. Eine Ausbildung zur Fachverkäuferin hat sie abgebrochen.

 
Wodka, Aids und andere Krankheiten
    â€žJugend will, dass man ihr befiehlt, damit sie die Möglichkeiten hat, nicht zu gehorchen“, sagte der französische Philosoph Jean-Paul Sartre, der 1980 im Alter von 75 Jahren starb. Und mit dieser Aussage liegt er gar nicht so falsch.
    Die Pubertät ist eine Phase des Umbruchs. Der junge Mensch will sich ausprobieren, von den Erwachsenen unterscheiden, er will Auseinandersetzungen führen, ja sich selbst erleben, auch und gerade, um zu lernen.
    Jugendliche, auch Kinder, und ihr Verhalten haben bisher unzählige Generationen von Erwachsenen aufgeregt. Das war immer so und wird wohl auch immer so bleiben. Immer sind sie zu laut, lästig, ecken überall an und halten sich vor allem nicht an das Althergebrachte – also an das, was gut für sie ist. Und das, was gut für sie ist, bestimmen nicht sie selbst, sondern die Erwachsenen. Ein zeitloses Phänomen.
    Müssen wir nun also gegen die

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