Generation Wodka
oft so schwierig, diesem Druck standzuhalten, gerade in einer Zeit, in der eine Feier ohne Alkohol häufig als total uncool betrachtet wird.
Bei der Recherche zu diesem Buch habe ich im Internet verschiedene Eltern- und Erziehungsforen zum Thema âFamilie und Alkoholâ durchforstet. Hier wurden Fragen abgehandelt zu Themen wie: âAb wann soll ich meinem Kind Alkohol erlauben?â oder: âWie erziehe ich meine Kinder in Sachen Alkohol?â Interessant ist, wie vielfältig die Antworten sind. Da gab es lange Abhandlungen von besorgten Müttern und Vätern, allerdings auch so kühle Antworten wie: âLasst doch eure Kinder so viel trinken, wie sie wollen, sie werden schon merken, wenn es genug ist.â
Doch was ist richtig oder was ist falsch? Gibt es überhaupt ein Patentrezept? Eine allumfassende Antwort habe ich natürlich auch nicht, aber vielleicht helfen ein paar Ãberlegungen und Beobachtungen weiter.
Ich bin immer wieder erstaunt, wie sorglos viele Eltern mit dieser Thematik umgehen. Oder wie verbreitet dieser sorglose Gedanke ist, unsere Kinder müssten sich halt ihre Hörner abstoÃen. Ohne Leitlinien? Ohne gute Ratschläge (und damit meine ich nicht âklugeâ Ratschläge)? Ohne Hilfestellung?
Es sollte uns allen klar sein, dass jeder Körper anders reagiert und dass jeder Mensch unterschiedlich viel Alkohol verträgt. Vor einigen Jahren habe ich ein 15-jähriges Mädchen beerdigen müssen, das bei dem Versuch gestorben ist, Feuerzeuggas zu schnüffeln. Alle ihre Freunde, die im gleichen Zimmer mit ihr waren und es auch versucht hatten, merkten nicht einmal ein Schwindelgefühl.
Nun sterben glücklicherweise in der Regel unsere Teenager nicht am Genuss von Alkohol, doch kann er eben auch zur Droge werden. Gerade dann, wenn auf Feiern Trinkspiele veranstaltet werden und die âgrauen Mäuseâ endlich mal zeigen wollen, was in ihnen steckt. Um Alkohol zu trinken, muss man nicht besonders mutig sein. Und wer wollte es den anderen nicht schon immer mal zeigen?
Kennen Sie Ihr Kind? Kennen Sie auch den Freundeskreis?
Vor einigen Monaten folgte ich der Einladung einer Jugendgruppe in einer Kleinstadt, die mit ihren Besuchern über das Thema Alkohol diskutieren wollte. Die meisten dieser 12- bis 19-Jährigen lebten in einer relativ heilen Welt. Ihre Eltern waren Unternehmer, Ãrzte, Arbeiter und Beamte. Sie wohnten in Einfamilienhäusern mit kleinen Gärten und verfügten in der Regel über ein recht gutes Taschengeld. Sie waren durch die Bank gut erzogen und höflich und beteiligten sich nach meinem Kurzvortrag eifrig an der Diskussion.
In meiner Einführung erzählte ich ein wenig von dem, was mir in meiner Arbeit immer wieder begegnet. Ich berichtete von Jugendlichen, die an Wochenenden feiern, um sich von ihren Problemen abzulenken. Die Bier und Wodka konsumieren, um fröhlich zu sein, ohne etwas Böses dabei zu denken.
Dann erzählte ich auch von Homepartys, auf denen Alkohol und Drogen verteilt und bis zur Besinnungslosigkeit konsumiert werden. Und von einer dieser Partys, auf der ein Kind entstand und nach der die 17-jährige werdende Mutter nicht wusste, wer sie geschwängert hatte. Und da war auch noch der 12-Jährige, der an einem Samstag die ganze Nacht bei seinen Kumpels aushielt und mit ihnen trank, bis einer nach dem anderen vom Stuhl fiel. Weil in der Einzimmerwohnung zu wenig Platz auf dem Boden war, legte er sich zum Ausschlafen seines Rauschs auf den Balkon. Total zugedröhnt schlief er dort ein.
Wenige Stunden später rief ein Nachbar, der den Jungen dort nur im T-Shirt bekleidet auf dem Balkon liegen sah, die Berliner Feuerwehr, denn es herrschten Temperaturen um den Gefrierpunkt. Dass dieser Junge diese Nacht überlebt hat, grenzt an ein Wunder.
Für die meisten Teenies aus dieser Jugendgruppe, der ich meine Erfahrungen weitergab, war das alles nichts AuÃergewöhnliches. Zumindest hatten sie ähnliche Geschichten schon mal gehört, sogar aus ihrem Dorf. Alle kannten interessanterweise solche Partys, solche Kids und vor allem das Komasaufen â einen âSportâ, den viele sogar als âgesunde Abwechslungâ empfinden. Die meisten hatten nicht nur die Zeitungsberichte verfolgt; nein, irgendwie waren sie hautnah dran, kannten Leute, denen es auch schon so ergangen war, oder waren sogar selbst beteiligt.
âIst doch kein Wunderâ, sagte
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