Generation Wodka
kann er wenig anfangen. âDas Zeug macht meinen Magen immer so voll und ich muss dann dauernd pinkelnâ, sagt er.
Tim geht, wenn die Wodkaflasche leer ist, seit Kurzem noch allein auf die Rolle. Er besucht Freunde oder geht manchmal auch nach Hause zu seiner Familie.
Addi und Malte sitzen dann bis spät in die Nacht zusammen und trinken weiter Bier. Oft kommen noch Addis Freunde aus der Punkerszene dazu, mit denen sie gern abhängt. Malte mag das überhaupt nicht. Die Punks sind ihm zu schmuddelig und vor allem zu laut. Fast immer haben sie auch noch diverse Hunde dabei, die die Wohnung regelmäÃig versauen. Aber Addi hängt an ihren Freunden. Sie ist eine Punkerin aus Ãberzeugung, lehnt jede Form von Autorität ab. Durch das Gebell der Hunde hat sie Ãrger mit den Nachbarn in ihrem Haus, die sich in ihrer Nachtruhe gestört fühlen, doch Addi ist das gleichgültig. So ist es schon häufiger vorgekommen, dass die Polizei vor der Tür stand, um die nächtliche Ruhe mit ihrer ganzen Autorität durchzusetzen. Dann gibt es fast immer Ãrger.
Vor allem Malte kann diesen Ãrger nicht gebrauchen. Er wohnt ja illegal in dieser Wohnung und ist noch minderjährig. Schon zweimal hat die Polizei seine Personalien aufgenommen und seinen Eltern einen Brief geschrieben. Die haben ihm dann richtig Dampf gemacht und verlangt, dass er wieder zu Hause schläft. Doch da lässt Malte nicht mit sich reden. Auf sein Elternhaus hat er absolut keinen Bock mehr, das macht er seinen Eltern auch sehr deutlich.
âDiesen ganzen Stress habe ich nur wegen der Punksâ, grübelt Malte. Doch deren Anwesenheit wiederum ist für Addi nicht verhandelbar.
***
Kürzlich stand Malte am Hauptbahnhof. Er wollte sich etwas zu kiffen besorgen. âZurückbleiben!â, krächzten die Lautsprecher. Stereofon brandete das Rollen der automatischen Türen an sein Trommelfell, schwappte den Bahnsteig entlang wie eine Welle an der Nordsee. Dort war Malte einmal gewesen, es schien eine Ewigkeit her, mit seinen Eltern im Urlaub.
Das dumpfe Klacken eines Paars Stiefel beendete seinen kurzen Tagtraum. Sein Dealer stand vor ihm und blitzschnell wechselten der Stoff und das Geld die Besitzer. Malte schaute nach links und rechts, rannte dann zur Treppe und hastete die Stufen hinunter, die täglich von Tausenden Schuhsohlen geschliffen wurden. Als ob er es geahnt hätte: Zwei junge Typen rannten hinter ihm her. Sein schon sehr ausgeprägter Instinkt sagte ihm, dass das âBullenâ waren. Vielleicht war auch das Zusammenleben mit Addi eine Art Schnupperkurs in âInstinktkundeâ.
Gerade noch konnte er den Typen entwischen. âGlück gehabtâ, murmelte er. âBeim nächsten Mal muss ich vorsichtiger sein.â Eigentlich hatte Malte am Bahnhof noch eine Stunde dranhängen wollen, um zu schnorren. Es war sehr viel los, alles immer irgendwie in Bewegung, aber da war doch so etwas wie Angst.
Vielleicht haben mich die Bullen erkannt, besser, ich verschwinde , dachte er sich. Am Ausgang nahm er die Treppe nach oben und holte sich einen Burger für einen Euro. Ein Bus hielt vor ihm und er stieg hinten ein; auf diese Weise brauchte er kein Ticket, denn der Bus war so voll, dass der Fahrer ihn von vorne nicht sehen konnte. Eine Frau in dem Bus schaute ihn giftig an. Das lag wohl an dem geruchsintensiven Fleischklops. Das machte Malte aber nichts aus. Er blieb ganz ruhig.
Zu Hause angekommen empfing ihn Addi mit einer Bierflasche in der Hand. Sie nahm das Tütchen mit dem Kraut in Empfang und bastelte daraus einen Joint. Für Schnaps oder was auch immer war heute kein Geld da, und nach dem Kiffen würde ihnen mit Sicherheit die Lust fehlen, noch einmal betteln zu gehen. So ätzend es oft war und so blöde Nebenwirkungen es mit sich brachte, so schön war für Malte dennoch beim Kiffen das Davonschweben in einen dichten Nebel. Unmittelbar mit dem Inhalieren des ersten Zugs setzte bei ihm schon die Wirkung ein.
âMit dem Kiffen werde ich nie aufhörenâ, hatte er zu Tim gesagt, als er ihn das letzte Mal sah.
Ãbrigens: Tim hat sich in den letzten Tagen bewusst von Addi und Malte zurückgezogen. Addi ist ein bisschen in Malte verliebt, das hat sie Tim zumindest erzählt. Trotz des groÃen Altersunterschieds. Und da will Tim nicht stören. Auch hat er Angst vor der Geschwindigkeit, mit der die beiden auf der Ãberholspur
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