Genesis Secret
Jahren die Prügelstrafe abgeschafft. Forresters SIO in London hatte ihn ausführlich über das etwas ungewöhnliche Protokoll aufgeklärt, das es bei einem Besuch auf der kleinen Insel zu befolgen galt.
Auf dem Parkplatz war es kalt, und es sah nach Regen aus. Rasch gingen die vier Männer zu Haydens großem Auto. Schweigend fuhren sie durch Felder und Wiesen zur größten Stadt der Insel, in das an der Westküste gelegene Douglas. Forrester ließ das Fenster runter und schaute nach draußen, um ein Gefühl für die Insel zu bekommen: einen Eindruck, wo er war.
Die saftig grünen Weiden, die regenreichen Eichenwälder, die winzigen grauen Kapellen: alles sehr britisch und keltisch. Und als sie Douglas erreichten, erinnerten Forrester die am Strand aufgereihten Häuser mit den feudaleren Bürogebäuden dazwischen an die schottischen Hebriden. Das einzige Anzeichen dafür, dass sie sich nicht auf britischem Boden befanden, waren die Manx-Flaggen mit dem Inselwappen - drei miteinander verbundene Beine auf rotem Grund -, die an mehreren Gebäuden im windgepeitschten Regen flatterten.
Das Schweigen im Auto wurde nur von sporadischem Geplauder unterbrochen. Einmal wandte sich Hayden seinem englischen Kollegen zu und sagte: »Selbstverständlich haben wir den Toten so liegen gelassen, wie wir ihn gefunden haben. Wir sind keine Amateure.«
Das war eine eigenartige Bemerkung. Forrester nahm an, dass sich die Manx-Kollegen, Angehörige einer winzigen Behörde von insgesamt maximal zweihundert Beamten, über sein Erscheinen ärgerten. Der dicke Macker von der Metropolitan Police. Der lästige Londoner, der sich bloß aufspielen wollte.
Doch Forrester hatte in einer wichtigen Angelegenheit zu ermitteln. Er konnte es kaum erwarten, den Tatort zu sehen. Er wollte sich umgehend an die Arbeit machen. Protokoll hin oder her.
Sie ließen die Stadt hinter sich und nahmen eine schmalere Straße mit hohen Wäldern auf der rechten und der aufgewühlten Irischen See auf der linken Seite. Forrester sah eine Mole, einen Leuchtturm, ein paar kleine Boote, die auf den grauen Wellen schaukelten, und einen weiteren Hügel. Und dann fuhren sie durch ein ziemlich pompöses Tor auf einen sehr großen, alten, mit Zinnen und Türmchen bewehrten weißen Bau zu.
»Fort Anne«, sagte Hayden. »Inzwischen ein Bürogebäude.«
Das schlossartige Gebäude war rundherum mit einem Absperrungsband gesichert. Auf dem Rasen war ein Zelt aufgebaut, und ein Polizist trug gerade eine antiquierte Kodak-Fingerabdruckkamera ins Haus. Forrester kamen erste Bedenken hinsichtlich der Kompetenz der lokalen Polizei. Wann hatten sie hier zum letzten Mal einen Mord gehabt? Vor fünf Jahren? Vor fünfzig? Die meiste Zeit waren sie wahrscheinlich damit beschäftigt, Kiffer zu verhaften. Und minderjährige Trinker. Und Schwule. War das nicht hier, wo Homosexualität noch strafbar war?
Sie gingen durch den Haupteingang nach drinnen. Zwei jüngere Männer mit Schutzmasken sahen Forrester an. Einer von ihnen hielt eine Büchse mit Aluminiumpulver. Sie verschwanden in einem Zimmer. Forrester wollte den Männern von der Spurensicherung folgen, aber Hayden tippte ihm auf den Arm und sagte: »Nein. Im Garten.«
Das Haus war riesig, aber es hatte keine Atmosphäre. Die Räumlichkeiten hatte man lieblos in Büros umgewandelt: Neonleuchten, graue Trennwände, Aktenschränke und Computer. Auf einigen Schreibtischen standen Schiffsmodelle. An einer Wand hingen zwei Seekarten; vermutlich wurden die Büros von einer Reederei oder Schiffsbaufirma genutzt.
Forrester folgte dem Deputy Chief in einen Flur, von dem eine breite Glastür in einen großen, auf allen Seiten von hohen Hecken eingefassten Garten führte, hinter dem ein bewaldeter Hang anstieg. In der Mitte des Gartens, dessen Rasen an mehreren Stellen aufgegraben worden war, stand ein großes gelbes Zelt über dem Tatort; der Reißverschluss der Eingangsklappe war zugezogen.
Hayden öffnete die Glastür, und sie gingen auf das gelbe Zelt zu. Der DCC sah die zwei Londoner Kollegen an. »Sind Sie bereit?«
Forrester wurde langsam ungeduldig. »Ja, natürlich.«
Hayden öffnete die Eingangsklappe.
»O Mann«, entfuhr es Forrester.
Der Tote war um die dreißig. Er hatte ihnen den Rücken zugekehrt und war splitternackt. Aber das war es nicht, was Forrester aus der Fassung gebracht hatte. Der Kopf des Mannes war im Boden vergraben - der Rest seines Körpers stand heraus. Seine Stellung war komisch und schockierend zugleich.
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