Genesis Secret
beobachtete sie gebannt. Ihre blinde Fressgier hatte etwas Abstoßendes.
Er war in den Park gekommen, um etwas Ruhe zu finden - es war der einzige friedliche Ort mit ein bisschen Grün, den er in der hektischen Stadt kannte. Doch die friedliche Atmosphäre hatte nicht die gewünschte Wirkung. Auch während er die zappelnden Fische beobachtete, ließen ihn die Ereignisse des Vortags nicht los. Der grässliche Anblick Franz Breitners, auf eine Stahlstrebe gespießt. Die hektischen Handygespräche. Und schließlich die Entscheidung, den Stab abzusägen und Breitner - immer noch aufgespießt - in Christines Auto nach Sanliurfa zu fahren.
Rob war ihr mit Radevan gefolgt. Der klapprige Toyota fuhr hinter dem Landrover den Hügel hinunter und dann durch die Ebene zur Harran-Universitätsklinik im neuen Teil der Stadt. Dort setzte sich Rob mit Christine, Iwan und Breitners schluchzender Frau in einen gammligen Krankenhausflur und warteten. Rob blieb, bis die Ärzte mit der unvermeidlichen Nachricht kamen: Franz Breitner war gestorben.
Jetzt kämpften die Karpfen, wild nacheinander schnappend, um das letzte Stückchen Brot. Rob wandte sich ab. Neben einem am Rand der Grünfläche geparkten Jeep stand ein türkischer Soldat mit einer Maschinenpistole. Der Soldat schaute finster zu ihm herüber.
In der Stadt war die Atmosphäre an diesem Tag sehr angespannt, aber das hatte nichts mit Breitners Tod zu tun. In Diyarbakir, der kurdisch-türkischen Stadt dreihundert Kilometer weiter östlich, dem Zentrum des kurdischen Separatismus, hatte jemand ein Bombenattentat verübt. Es war niemand ums Leben gekommen, aber es gab zehn Verletzte, und die Lage in der Region hatte sich noch weiter zugespitzt. Polizei und Armee zeigten an diesem Nachmittag verstärkt Präsenz.
Rob seufzte resigniert. Manchmal sah es so aus, als wäre Gewalt universell. Unentrinnbar. Doch Rob wollte ihr entrinnen.
Er ging auf einer kleinen Holzbrücke über einen schmalen Kanal und setzte sich an einen der Holztische des Teehauses. Der Kellner kam und wischte sich an einem von seinem Hosenbund hängenden Tuch die Hände ab. Rob bestellte Wasser, Tee und Oliven. Er musste unbedingt versuchen, wenigstens eine Weile nicht an Franz Breitner zu denken. Und nicht an das Blut in Christines Auto. Und an den aus Breitners Oberkörper ragenden Stab …
»Bitte sehr.«
Der Kellner hatte Robs Tee gebracht. Der Teelöffel klimperte. Der Zuckerwürfel löste sich in der dunkelroten Flüssigkeit auf. Die Sonne schien durch die Bäume des kleinen Parks. Auf dem Rasen spielte ein kleiner Junge in einem Manchester-United-Trikot mit einem Fußball. Seine Mutter war schwarz verschleiert.
Rob trank seinen Tee aus. Er musste die Initiative ergreifen.
Nachdem er nachgerechnet hatte, wie spät es in London war, holte er sein Handy heraus und wählte.
»Ja!« Steves gewohnt barsche Stimme.
»Hallo … hier…«
»Robbie! Mein archäologischer Korrespondent. Was machen die alten Trümmer?«
Der muntere Cockney-Akzent hob Robs Stimmung ein bisschen. Er überlegte, ob er sie sich gleich wieder verderben sollte, indem er Steve erzählte, was passiert war. Doch bevor er sich entscheiden konnte, fuhr Steve fort: »Hat mir gefallen, dein erster Entwurf. Freue mich schon auf das Feature. Wann war eigentlich dein Abgabetermin?«
»Äh, eigentlich morgen, aber …«
»Gut. Um fünf will ich alles haben.«
»Schon, aber…«
»Und schick mir ein paar JPEGs! Schöne Bilder von den …«
»Steve, es gibt da ein Problem.«
Am anderen Ende der Leitung wurde es still. Endlich. Rob ergriff die Gelegenheit. Er erzählte Steve alles. Die Rätselhaftigkeit der Funde und die Schwierigkeiten im Umfeld der Grabung, die Ressentiments der Arbeiter, der mysteriöse Todesfluch, die vergiftete lokalpolitische Lage, die befremdlichen nächtlichen Grabungen. Rob erklärte seinem Redakteur, er habe diese Dinge bisher nicht erwähnt, weil er sich nicht sicher gewesen sei, ob sie wirklich von Relevanz wären. »Und jetzt sind sie plötzlich relevant?«, gab Steve gereizt zurück.
»Ja. Weil…« Rob schaute zu der Zitadelle mit der großen roten türkischen Fahne hinauf, die über der Stadt thronte. Er holte tief Luft. Dann erzählte er Steve die schreckliche Geschichte von Franz Breitners Tod. Am Ende sagte Steve nur: »Mein Gott. Und wie geht es dir jetzt?«
»Was sagst du?«
»Ich habe dich auf diese Grabung geschickt, weil ich dachte, eine kleine Erholungspause könnte dir nicht schaden.
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