Genesis Secret
Warum?«
»Ahm, da gibt es so eine … Grabung … in der Südosttürkei. Im kurdischen Teil der Türkei.«
»Eine Grabung?«
»Ja. Hochinteressante Sache. Deutsche Archäologen haben …«
»Höhlenmalereien? Alte Knochen? Das kann ja wohl nicht dein Ernst sein.« Ein Stich der Enttäuschung durchfuhr Rob.
Steve lachte leise. »Jetzt reg dich nicht gleich auf.«
»Was heißt hier, ich soll mich nicht aufregen?«
»Du kannst nicht immer Gaza machen. Und ich möchte dich nirgendwohin schicken, wo es gefährlich ist. Jedenfalls vorläufig nicht.« Es klang fürsorglich, fast brüderlich. Höchst ungewöhnlich. »Du bist einer meiner besten Reporter. Und das in Bagdad war wirklich eine üble Geschichte. Diese Scheiße reicht für eine Weile, meinst du nicht?«
Rob wartete. Er wusste, Steve war noch nicht fertig. Und tatsächlich fuhr Steve fort: »Deshalb bitte ich dich in aller Höflichkeit, in die Türkei zu fahren und dir diese beknackte Grabung anzusehen. Wenn das für dich okay ist.«
Rob entging der Sarkasmus nicht: war ja auch schwer zu überhören. Er lachte: »Na gut, Steve. Du bist der Boss! Ich werde hinfahren und mir ein paar alte Trümmer ansehen. Wann soll’s losgehen?«
»Morgen. Ich maile dir die Unterlagen.«
Morgen? Nicht gerade viel Zeit. Im Geiste machte Rob sich schon Gedanken über Flugtickets und Kofferpacken. »Geht in Ordnung, Steve. Danke.«
Der Redakteur sagte eine Weile nichts, dann setzte er an: »Aber, Rob …«
»Ja, was?«
»Dieser Auftrag hat es durchaus in sich. Da geht es nicht nur um … ein paar langweilige alte Trümmer.«
»Wie meinst du das?«
»Hier war die Geschichte sogar schon in den Nachrichten. Hast du wohl nicht mitbekommen.«
»Die archäologische Fachpresse lese ich nicht.«
»Ich schon. Ist gerade schwer in.«
»Aha.«
Die Meeresluft war warm. Steve fuhr fort: »Was ich damit sagen will. Diese Grabung in der Türkei. Was die Deutschen da gefunden haben …«
Rob wartete, dass Steve zur Sache kam.
Eine lange Pause. Dann sagte der Redakteur endlich: »Also … da geht es nicht nur um Knochen und so ‘nen Scheiß, Robbie. Die Sache ist wirklich ziemlich eigenartig.«
3
In der Maschine nach Istanbul nippte Rob an seinem wässrigen Gin Tonic, der in einem kleinen durchsichtigen Plastikbecher mit einem winzigen Quirl serviert worden war. Er las den Ausdruck von Steves E-Mail und verschiedene Artikel, die er im Internet über die türkische Ausgrabung gefunden hatte.
Die freigelegte Stätte hieß Göbekli Tepe. Am Anfang dachte Rob, es würde »Tiepe« ausgesprochen, doch dann sah er auf einem seiner Ausdrucke die phonetische Umschrift: Es wurde »Teppe« ausgesprochen. Göbekli … Teppe. Rob sagte es mehrere Male: »Göbekli Tepe«, und dann steckte er sich eine Minibrezel in den Mund.
Er las weiter.
Anscheinend handelte es sich bei der Stätte nur um eine von mehreren sehr alten Siedlungen, die gegenwärtig im kurdischen Teil der Türkei ausgegraben wurden. Nevali Cori, Cayönü, Karahan Tepe. Einige von ihnen waren unglaublich alt. 8000 Jahre oder älter. Aber wie alt war das alles wirklich? Rob hatte keine Ahnung. Wie alt war die Sphinx? Stonehenge? Die Pyramiden?
Nachdem er seinen Gin Tonic ausgetrunken hatte, lehnte er sich zurück und dachte über sein mangelndes Allgemeinwissen nach. Warum wusste er auf solche Fragen keine Antwort? Offensichtlich, weil er nicht studiert hatte. Im Gegensatz zu seinen Kollegen, die in Oxford, London oder an der UCLA oder in Paris, München, Kyoto, Austin oder sonst wo studiert hatten, konnte Rob auf nichts als sein Gehirn und sein Schnelllesetalent zurückgreifen, um Informationen rasch zu verarbeiten. Er hatte mit achtzehn die Schule geschmissen. Dem Gejammere seiner alleinerziehenden Mutter zum Trotz hatte er die Angebote mehrerer Colleges und Universitäten abgelehnt und sich stattdessen kopfüber in den Journalismus gestürzt. Doch konnte man ihm das wirklich vorwerfen? Rob knabberte eine weitere Minibrezel. Er hatte keine Wahl gehabt. Seine Mutter war auf sich allein gestellt gewesen, sein Vater, ein fieser, brutaler Sack, war in Amerika geblieben; Rob wuchs am äußersten Rand des dumpfen vorstädtischen London in ärmlichen Verhältnissen auf. Schon von klein auf wollte er so bald wie irgend möglich Geld und Status erwerben. Er wollte nie wie diese reichen Jüngelchen werden, die er als Jugendlicher beneidet hatte, weil sie es sich leisten konnten, vier Jahre frei zu machen, sich die Birne
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