Genesis Secret
vollzudröhnen und Partys zu feiern und ganz gemächlich in eine lukrative Berufslaufbahn einzusteigen. Er hatte immer den Drang verspürt, Gas zu geben.
Der Drang, keine Zeit zu vergeuden, beherrschte auch sein Gefühlsleben. Als ihm Sally über den Weg lief, lächelnd und hübsch und clever, hatte er sich an das Glück und die Stabilität geklammert, die sie versprach. Die Geburt ihrer Tochter, kurz nach der überstürzten Heirat, schien wie ein Zeichen, dass er das einzig Richtige getan hatte. Nur erkannte er zu spät, dass seine dynamische Karriere in Konflikt mit der Beschaulichkeit häuslicher Sesshaftigkeit geraten könnte.
Der Economy-Class-Sitz in der El-Al-Maschine war gewohnt unbequem. Rob ließ sich zurücksinken und rieb sich die Augen. Er bat die Stewardess um einen weiteren Gin Tonic. Um seine Stimmung zu heben und vergessen zu können.
Er kramte in seiner Tasche und holte zwei Bücher aus Tel Avivs bester Buchhandlung heraus, eins über türkische Archäologie und eins über die menschliche Vorgeschichte. In Istanbul hätte er drei Stunden Aufenthalt, bevor er nach Sanliurfa im tiefsten Wilden Osten Anatoliens weiterfliegen würde. Genug Zeit für ein bisschen Schnelllektüre.
Als sie in Istanbul landeten, war Rob ziemlich betrunken - und genauestens im Bilde über die jüngste archäologische Geschichte Anatoliens. Besonders wichtig schien eine Stätte namens Catal Höyük zu sein. In den fünfziger Jahren entdeckt, war Catal Höyük eins der ältesten Dörfer der Welt, die jemals ausgegraben worden waren - möglicherweise 10000 Jahre alt. An den Mauern dieser uralten Siedlung fand man Abbildungen von Stieren, Leoparden und Bussarden. Viele Bussarde. Sehr alte Hinweise auf eine Religion. Sehr eigenartige Abbildungen.
Im Flughafengebäude schnappte Rob sein Gepäck vom Fließband und bahnte sich einen Weg durch Massen beleibter türkischer Geschäftsmänner; in einem kleinen Laden kaufte er sich eine amerikanische Zeitung mit einer der neuesten Meldungen aus Göbekli Tepe, bevor er direkt zum Flugsteig ging, um auf den Anschlussflug zu warten. Dort las er mehr über die Grabung.
Die moderne Geschichte Göbekli Tepes, hieß es, begann 1964, als ein amerikanisches Archäologenteam eine abgelegene Provinz in der Südosttürkei durchkämmte. Die Archäologen entdeckten mehrere ungewöhnlich aussehende Hügel, die von Tausenden zerbrochenen Feuersteinen bedeckt waren: ein untrügliches Anzeichen für menschliche Besiedlung in vorgeschichtlicher Zeit. Dennoch unternahmen die amerikanischen Wissenschaftler keine Grabungen. Der Zeitungsartikel formulierte es folgendermaßen: »Diese Leute müssen sich jetzt vorkommen wie der Verleger, der das erste Harry-Potter-Manuskript abgelehnt hat.«
Ohne sich von der schnarchenden Türkin auf dem Platz neben ihm stören zu lassen, las Rob weiter.
Dreißig Jahre nach den Amerikanern machte ein einheimischer Schäfer, der mit seiner Herde unterwegs war, eine seltsame Entdeckung: eine Reihe eigenartig geformter Steine im sonnengebackenen Staub. Die Steine von Göbekli Tepe.
Tep-pe, sagte sich Rob zur Erinnerung vor. Tep-pe. Er ging zum Getränkeautomaten, zog sich eine Cola light und nahm seine Lektüre wieder auf.
Die »Wiederentdeckung« der Stätte kam den Museumskuratoren im fünfzig Kilometer entfernten Sanliurfa zu Ohren. Die Museumsleitung setzte sich mit dem zuständigen Ministerium in Verbindung, das sich wiederum an das Deutsche Archäologische Institut in Istanbul wandte. Und so wurde 1994 der »erfahrene deutsche Archäologe Franz Breitner« von den türkischen Behörden damit beauftragt, die Stätte auszugraben.
Rob überflog den Rest des Artikels. In der amerikanischen Zeitung war ein Foto von Breitner und darunter ein wörtliches Zitat des Archäologen. »Ich war hellauf begeistert. Die Stätte hatte für die Dorfbewohner eine emotionale Bedeutung. Der einsame Baum auf dem höchsten Hügel ist ihnen heilig. Ich dachte, da könnten wir etwas Wichtigem auf der Spur sein.«
Nach dieser ersten Einsicht hatte sich Breitner genauer umgesehen. »Mir war sofort klar, dass ich den Rest meines Lebens hier bleiben würde, wenn ich mich nicht auf der Stelle umdrehte und wegging.«
Rob studierte Breitners Foto. Der deutsche Archäologe sah eindeutig aus wie jemand, der gerade das große Los gezogen hatte. Er grinste über beide Ohren.
»Die Passagiere des Turkish-Airlines-Fluges TA628 nach Sanliurfa werden gebeten …«
Rob griff nach seinem Pass und der
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