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Genesis Secret

Genesis Secret

Titel: Genesis Secret Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Knox
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Nordfrankreichs. Hin und wieder wurde einer der Hügel von einem englischen Soldatenfriedhof gekrönt: eine stimmungsvolle, aber melancholische Parade asketischer Marmorgrabsteine. Tausende und Abertausende von Gräbern. Es war ein bedrückender Anblick, und der Regen machte die Sache nicht besser. Die Bäume standen in voller Maiblüte, aber in dem erbarmungslosen Regen waren selbst die Blüten verwelkt und kraftlos.
    »Nicht gerade die schönste Gegend Frankreichs, oder, Sir?«
    »Grässlich«, antwortete Forrester. »Diese vielen Friedhöfe.«
    »Hier hat es wohl viele Schlachten gegeben.«
    »Allerdings. Und sterbende Industriezweige. Was auch nicht gerade hilft.« Nach einer Pause fuhr Forrester fort: »Wir sind im Urlaub immer hierhergekommen.«
    Boijer lachte leise. »Da haben Sie sich aber wirklich ein schönes Fleckchen ausgesucht.«
    »Nein, wir haben natürlich nicht hier Urlaub gemacht. Was ich meine, ist, als ich klein war, sind wir immer nach Südfrankreich gefahren. Zum Camping. Einen Flug konnten wir uns nicht leisten, deshalb mussten wir durch ganz Frankreich in den Süden runterfahren. Von Le Havre. Und da sind wir immer hier durchgekommen, durch die Picardie. Vorbei an Albert und der Somme und so. Und jedes Mal habe ich geheult. Weil es so unglaublich hässlich war. Die Dörfer sind so hässlich, weil sie nach dem Ersten Weltkrieg alle neu aufgebaut wurden. Mit Beton. Auf diesen regendurchweichten Feldern sind Millionen Männer gestorben, Boijer. Millionen. Auf den Schlachtfeldern von Flandern.«
    »Aha.«
    »Die Finnen haben damals, glaube ich, noch in Iglus gehaust.«
    »Sicher, Sir. Und Moos gefressen.«
    Die zwei Männer lachten kumpelhaft. Forrester musste dringend abschalten. Die Fahrt mit dem Eurostar war ebenfalls ziemlich bedrückend gewesen. Sie hatten die Zeit genutzt, um noch einmal die pathologischen Befunde durchzugehen. Um sich zu vergewissern, dass sie nichts übersehen hatten. Aber es war ihnen nichts Besonderes aufgefallen. Lediglich dieselbe grauenerregende wissenschaftliche Analyse der Wunden. Extreme Blutungen. Stichwunde zwischen fünfter und sechster Rippe. Tod infolge traumatischer Asphyxie.
    »Das müsste es sein«, sagte Boijer.
    Forrester sah auf den Wegweiser: Ribemont-sur-Ancre. 6 km. »Richtig. Das ist die Abzweigung.«
    Das Auto fuhr von der Autobahn ab, rauschte durch Wasserpfützen. Forrester fragte sich, warum es im Nordosten Frankreichs so viel regnete. Er erinnerte sich an Geschichten aus dem Ersten Weltkrieg, an Geschichten von Soldaten, die im Schlamm ertrunken waren, buchstäblich ertrunken, zu Hunderten und Tausenden, in dem aufgewühlten regennassen Schlamm. Was für eine Art zu sterben! »Und hier rechts abbiegen.«
    Er sah die Adresse der Cloncurrys nach. Er hatte die Familie am Tag zuvor angerufen, und sie waren zu einem Gespräch bereit. Die Stimme der Mutter war am Telefon kalt und leicht zittrig gewesen, als sie ihm den Weg beschrieben hatte. Fahren Sie an der Rue Voltaire vorbei. Einen Kilometer weiter. Dann biegen Sie links ab, nach Albert. »Jetzt links …«
    Boijer drehte das Lenkrad, und das Mietauto platschte durch ein wassergefülltes Schlagloch; die Straße war nicht mehr als ein besserer Feldweg.
    Dann sahen sie das Haus. Es war groß und imposant, mit Fensterläden und Mansardenfenstern und mit einem extrem steilen Dach im französischen Stil. Aber es war auch gravitätisch, düster und bedrückend. Ein eigenartiger Ort zum Leben.
    Jamie Cloncurrys Mutter erwartete sie am Ende der breiten, gewundenen Auffahrt. Ihr Akzent war eisig aristokratisch. Sehr englisch. Ihr Mann stand gleich hinter der Eingangstür, in einem teuren Tweedsakko und einer Cordhose. Seine Socken waren knallrot.
    Im Salon servierte ein Hausmädchen Kaffee. Mrs Cloncurry saß ihnen mit zusammengepressten Knien gegenüber. »Also, Inspector Forrester. Sie möchten über meinen Sohn Jamie sprechen …«
    Das Gespräch hatte etwas Gequältes. Gestelzt und bemüht. Die Eltern behaupteten, mit fünfzehn habe sich Jamie immer mehr ihrem Einfluss entzogen. Und als er mit dem Studium angefangen habe, sei der Kontakt zu ihm vollständig abgerissen. Der Mund der Mutter zuckte kaum merklich, als sie auf Jamies »Probleme« zu sprechen kam.
    Sie gab den Drogen die Schuld. Und seinen Freunden. Sie gestand, dass sie sich auch selbst Vorwürfe machte, weil sie ihn ins Internat geschickt hatten - als Zögling in die Westminster School. Das hatte die Isolation des jungen Mannes innerhalb

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