Genesis Secret
Yassiada. Sedef Adasi und dahinter, in der Ferne, die Dörfer und Wälder Anatoliens. Weiß getakelte Jachten glitten träge über das tiefe Blau. Der Duft sonnengewärmter Piniennadeln füllte das kleine Bad.
Hier in diesem Haus zu sein hatte ihr Liebesverhältnis zweifellos begünstigt und vorangetrieben. Die Insel war eine himmlische Oase, das absolute Gegenstück zum hektischen und gewalttätigen Sanliurfa. Und Isobels osmanisches Haus war so idyllisch, so anheimelnd und friedlich, wie es zum Wellengeplätscher des Marmarameers im Sonnenschein döste; nicht einmal Autos gab es, die den Frieden störten.
Zehn Tage waren Rob und Christine inzwischen hier. Sie hatten auch die anderen Inseln besucht und das Grab des ersten englischen Botschafters im Osmanischen Reich besichtigt, der von Elizabeth I. an die Hohe Pforte entsandt worden war. Sie hatten genickt, als ihnen ein einheimischer Führer das Holzhaus zeigte, in dem Trotzki gelebt hatte. Sie hatten bei Mokka und ausgelassenen Gesprächen in den Hafencafes von Büyük Ada gesessen und zum Sonnenuntergang über dem fernen Troja mit Isobel in ihrem rosenduftenden Garten Raki getrunken.
Und an einem dieser milden und warmen Abende, unter dem verstreuten Schmuck der Marmarasterne, hatte sich Christine einfach zu ihm herübergebeugt und ihn geküsst. Und er hatte ihren Kuss erwidert. Drei Tage später hatte Isobel dem Hausmädchen höflich und diskret zu verstehen gegeben, die frischen Gästehandtücher künftig nur in ein Zimmer zu legen.
Rob tappte ins Schlafzimmer zurück, wo die Fensterläden im Sommerwind leise quietschten. Christine schlief noch, ihr dunkles Haar war über den Kissenbezug aus ägyptischer Baumwolle ausgebreitet. Er tappte barfüßig über den Parkettboden, schlüpfte in seine Kleider und Stiefel und ging leise nach unten.
Isobel telefonierte gerade. Sie winkte Rob lächelnd zu und deutete in die Küche, wo Andrea, das Hausmädchen, Kaffee machte.
Rob zog einen Stuhl unter dem Küchentisch hervor und bedankte sich bei Andrea für den Kaffee. Und dann saß er einfach nur da, gedankenversunken, aber glücklich, und schaute durch die weit offene Küchentür auf die Rosen und Azaleen und Bougainvilleen des Gartens hinaus.
Die Katze Ezekiel - »Ezzy«, wie Isobel sie nannte - jagte einen Schmetterling durch die Küche. Ein paar müßige Minuten lang neckte Rob die Katze. Dann lehnte er sich zurück, griff nach der Financial Times vom Vortag und las von einer Reihe kurdischer Selbstmordattentate in Ankara.
Er legte die Zeitung wieder beiseite. Davon wollte er jetzt nichts wissen. Von Gewalt oder Krisen oder Politik wollte er nichts hören. Er wollte, dass diese Idylle ewig Bestand hätte; er wollte mit Christine für immer hier bleiben und auch Lizzie hierher holen.
Doch die Idylle konnte nicht von Dauer sein: Steve, Robs Redakteur, begann schon ungeduldig zu werden. Er wollte, dass Rob entweder den Artikel lieferte oder einen anderen Auftrag übernahm. Um in der Redaktion die Wogen zu glätten, hatte Rob zwei türkische Meldungen eingereicht, aber ihm war klar, dass dieser paradiesische Zustand irgendwann ein Ende hätte.
Rob ging in den Garten und schaute aufs Meer. Es gab eine Alternative. Er brauchte nur seinen Job aufgeben. Mit Christine hierbleiben. Ein Boot leihen und es an Touristen vermieten. Ein Oktopusfischer werden wie die Griechen auf Burgazada. Sich unter die armenischen Cafebesitzer in Yassiada einreihen. In Isobels Garten werkeln. Einfach alles aufgeben und seine Tage in der Sonne verleben. Und irgendwie könnte er auch Lizzie hierher holen. Wenn seine Tochter hier wäre und lachend am Strand herumtollte, wäre er von den Frauen umgeben, die er liebte, und das Leben wäre perfekt…
Er seufzte und musste selbst schmunzeln über seine kühnen Tagträume. Die Liebe vernebelte ihm den Verstand. Er hatte einen Job, er brauchte Geld, er musste auf dem Boden der Tatsachen bleiben.
Rob beobachtete einen Katamaran. Aus der Ferne sah sein weißes Segel wie ein Schwan aus, der über das Wasser glitt.
Ein Geräusch störte seine Träumerei. Rob drehte sich um und sah Isobel aus der Küche kommen.
»Eben hatte ich ein außerordentlich erhellendes Telefongespräch mit einem alten Freund aus Cambridge. Professor Hugo de Savary. Sagt dir der Name etwas?«
»Nein…«
»Schreibt viele Bücher. Macht Fernsehsendungen. Trotzdem ist er ein hervorragender Wissenschaftler. Christine kennt ihn auch. Ich glaube, sie hat im King’s mal seine
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