Genial gescheitert - Schicksale großer Entdecker und Erfinder
erst sieben Jahre später gebrochen. »Beiden Brüdern lag jede Rekordsucht fern«, schrieb Else Wegener später, »aber wenn sie auf Schwierigkeiten stießen, wichen sie nicht zurück.« 6
Diese Charakterstärke war eine entscheidende Voraussetzung für Alfred Wegeners späteren Erfolg. Den erlebte er indes nicht in luftigen Höhen, sondern im grönländischen Eis.
Zu Beginn des Jahres 1906 erfuhr Wegener zufällig von einer geplanten Grönlandexpedition, die unter der Leitung des dänischen Schriftstellers und Ethnologen Ludvig Mylius-Erichsen stattfinden sollte. Wegener hatte sich schon als Student für Grönland und die Arktis begeistert und bewarb sich um seine Teilnahme als Meteorologe.
Die Polargebiete galten noch als weitgehend unerforscht. Zwar hatte Fridtjof Nansen 1888 das grönländische Inlandeis durchquert, aber erst um die Wende zum 20. Jahrhundert kam die Polarforschung richtig in Schwung. Man war nun fest entschlossen, die im wahrsten Sinne des Wortes weißen Flecken auf der Erdkarte zu erkunden. Robert Peary brach 1905 zu einer legendären Expedition auf, bei der er im April 1906 – also kurz nachdem sich Wegener bei Mylius-Erichsen beworben hatte – dem Nordpol so nahe kam wie nie ein anderer zuvor. Auch der Südpol sollte erobert werden. Von 1901 bis 1903 hatte die erste deutsche Antarktisexpedition stattgefunden, doch erst 1911 sollte der Norweger Roald Amundsen als Erster den Südpol erreichen.
Es gab also noch viel zu tun für die Abenteurer und Forscher der damaligen Zeit, und das war genau nach dem Geschmack des unternehmungslustigen und wagemutigen Wegener.Der wollte auf der Reise die Atmosphäre mit Ballonen und Drachen untersuchen, die Messgeräte bis in Höhen von mehr als 3000 Meter tragen konnten. Allerdings war Wegener mit Drachenaufstiegen nicht vertraut, weswegen er sich an den Leiter der Drachenstation in Großborstel, Wladimir Köppen, wandte. Eine in zweierlei Hinsicht folgenreiche Kontaktaufnahme: Zum einen war es der Beginn einer lebenslangen Freundschaft zwischen beiden, zum anderen lernte er Köppens Tochter Else kennen, die er später heiratete.
Das Ziel der Expedition von Mylius-Erichsen bestand darin, die unbewohnte und schwer zugängliche grönländische Nordostküste zu erforschen. Das Unternehmen dauerte zwei Jahre, was bedeutete: zwei Überwinterungen im ewigen Eis. Wieder einmal war der Vater von Alfreds Entscheidung gar nicht begeistert, zumal dieser seine sichere Stelle am Aeronautischen Observatorium kündigen musste. Aber es half alles nichts.
Am 24. Juni 1906 legte der Dampfer ›Danmark‹ in Kopenhagen mit einer 28-köpfigen Besatzung unter lautem Jubel begeisterter Zuschauer ab und nahm Kurs auf Grönland. Anfangs fühlte sich Wegener etwas unwohl, weil er die dänische Sprache nicht beherrschte. Mit seiner zupackenden Art und seiner Arbeitsmoral wurde er aber rasch von der Besatzung akzeptiert. Seine Kajüte teilte er mit dem Kartographen Johan Peter Koch, der gut Deutsch sprach.
Am 15. August lief die Danmark bei Kap Bismarck in eine kleine Bucht ein, die die Forscher Danmarkshaven tauften. Hier sollte das Schiff zwei Jahre vor Anker liegen und als Basislager dienen. An Land errichteten sie eine bescheidene Holzhütte, genannt ›Villa‹. Sie war meteorologische Station und Überwinterungshaus für Wegener, Koch und zwei weitere Teilnehmer. Von Danmarkshaven aus starteten mehrere Expeditionen die Küste entlang sowie ins Inland. Wegener nahm an dreien davon teil.
Dann kam die Polarnacht. Nicht alle Expeditionsteilnehmer steckten die ewige Dunkelheit problemlos weg, hin und wiederkam es zu kleineren Streitigkeiten. Für Wegener wurde es eine prägende Erfahrung. Anfang November brach er zusammen mit Koch und dem Steuermann der ›Danmark‹ zu einer vierwöchigen Schlittenfahrt auf – die erste Nachtfahrt einer europäischen Expedition. Für Wegener wurde es zu dem »Phantastischsten, was es auf Erden geben kann«.
Aber es wurde auch extrem anstrengend: Die Temperatur sank bis auf minus 30 Grad Celsius, von den Gezeiten am Ufer hochgedrückte und verdrehte Eisschollen, sogenanntes Schraubeis, behinderten die Fahrt. Hinzu kam das Gefühl trostloser Verlassenheit. Wegener war gleichermaßen fasziniert und erschrocken. In seinem Tagebuch schilderte er diese intensiven Eindrücke während einer Hundeschlittenfahrt mit geradezu poetischen Worten: »Lautlos gleitet der Schlitten über diese ebene Schnee- und Eiswüste dahin. Meist hatte ich den
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