Genial gescheitert - Schicksale großer Entdecker und Erfinder
Unerschütterlichkeit, mit der er an seine Theorie glaubt. Und das, obwohl er von der Ursache der Kontinentaldrift keine klare Vorstellung hat. Noch eine Woche vor dem Vortrag hat er seinem zukünftigen Schwiegervater Wladimir Köppengeschrieben: »Ich glaube nicht, dass die alten Vorstellungen noch zehn Jahre zu leben haben.« 4 Darin irrt er sich. Wegener erlebt die Anerkennung seiner Theorie nicht mehr. Erst Jahrzehnte nach seinem Tod stoßen Forscher auf neue Beobachtungsergebnisse, die an seiner Kontinentaldrift-Theorie keinen Zweifel mehr lassen. Heute gehört sie zum Schulstoff.
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Urgroßvater Prediger, Großvater Prediger, Vater Prediger – unschwer zu erraten, welche Laufbahn der jüngste Spross der Familie Wegener einschlagen sollte. Zum Glück kam es ganz anders. Alfred kam am 1. November 1880 zur Welt. Sein Vater leitete ein Berliner Waisenhaus und verdiente sich nebenbei Geld als Hilfsprediger hinzu. Doch die Familie liebte die Großstadt nicht und kaufte 1886 das Geburtshaus von Alfreds Mutter in Zechlinerhütte, einem kleinen Dorf im Norden Brandenburgs, nicht weit vom Müritz-See. Hier verbrachte die Familie so viel Zeit wie möglich. Vor allem Alfred und sein zwei Jahre älterer Bruder Kurt, mit dem er bis an sein Lebensende innig verbunden blieb, liebten die Natur.
Alfred interessierte sich schon bald für Physik und Chemie, Mutters Waschküche wurde zum Labor, wo die beiden Brüder ihr Taschengeld in Rauch aufgehen ließen. Die Schule bot in dieser Hinsicht wenig Aufregendes, weswegen Alfred sie nicht sonderlich mochte. Dennoch legte er 1899 das Abitur als Klassenbester ab. Ein Theologiestudium kam weder für Kurt noch für Alfred in Frage, womit die beiden mit einer mindestens 300 Jahre alten Familientradition brachen. Sehr zum Unwillen des Vaters.
Stattdessen schrieb sich Alfred im Oktober 1899 an der Friedrich-Wilhelms-Universität Berlin für Astronomie und Meteorologie ein. Auch Kurt studierte Naturwissenschaften in Innsbruck, Kiel und Berlin. Das zweite Semester absolvierte Alfred in Heidelberg, dann ging er für ein weiteres Semesternach Innsbruck, wo er mit Kurt viel Zeit bei Klettertouren in den Alpen verbrachte. Hier konnten beide das in ihnen steckende Abenteurertum ausleben, damals gab es weder markierte Wege noch gesicherte Kletterwände, auch die Alpenvereinshütten waren eine Seltenheit. Dadurch wurden die tagelangen Wanderungen über Gletscher und Gipfelbesteigungen mit Übernachtungen im Biwak zur echten Bewährungsprobe für die beiden jungen Männer.
Alfred war kein Mensch der Schreibtischarbeit. Er brauchte Bewegung und Natur. Deswegen wurde ihm trotz guter Promotion in Astronomie im Jahre 1904 und einer Assistentenstelle an der Wilhelm-Foerster-Sternwarte in Berlin schnell klar, dass die Himmelsforschung auf Dauer für ihn nicht in Frage kam. Zum einen sei dort schon alles im Wesentlichen bearbeitet, und zum anderen böte sie ihm keine Gelegenheit zu körperlicher Betätigung, meinte er. 5
Interessanter erschien ihm da schon eine Anstellung an dem neu gegründeten Aeronautischen Observatorium in Lindenberg, südöstlich von Berlin, wo Kurt jüngst technischer Assistent geworden war. Hier untersuchte man die noch kaum bekannte Hochatmosphäre. Insbesondere die wissenschaftlichen Aufstiege mit Ballons reizten die tatenhungrigen Brüder. Schon im Mai 1905 stieg Alfred Wegener mit dem Physiker Arthur Berson, der mit einem Aufstieg bis auf 10500 Meter den damaligen Höhenrekord hielt, erstmals in die Gondel eines Wasserstoffballons. Bei ihrer Fahrt erreichten sie eine Höhe von 5761 Metern, wo die Temperatur nur noch minus 20 Grad Celsius betrug. Wegener und Berson maßen unter anderem die elektrische Leitfähigkeit der Luft, außerdem nahm Wegener erstmals in der Ballonfahrerei eine systematische Reihe von astronomischen Positionsbestimmungen vor.
Es folgten weitere Fahrten, bei denen es bisweilen turbulent zuging. Vom 5. bis 7. April 1906 stellten Alfred und sein Bruder dann sogar ungewollt einen neuen Langzeitrekord auf. Nach dem Start in Bitterfeld nahmen sie Kurs auf Jütland, wosie eigentlich landen wollten. Doch dann drehte der Wind und trieb sie wieder zurück. Ohne ausreichend Proviant und mit ungenügender Kleidung fuhren sie drei Tage und zwei Nächte lang umher. Nachts froren sie bei Temperaturen bis minus 16 Grad Celsius, tagsüber hungerten sie. Endlich, nach 52 Stunden und 22 Minuten, zogen sie – der Ohnmacht nahe – die Reißleine. Dieser Dauerrekord wurde
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