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Genial gescheitert - Schicksale großer Entdecker und Erfinder

Genial gescheitert - Schicksale großer Entdecker und Erfinder

Titel: Genial gescheitert - Schicksale großer Entdecker und Erfinder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Buehrke
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drückt und ihn anhebt. Die oben vorbeiströmende Luft entfernt sich dagegen von der Fläche und ruft eine nach oben gerichtete Sogwirkung hervor.
    Mit dieser falschen Theorie war es Otto Lilienthal nicht möglich, das Geheimnis des Fliegens wirklich zu lösen. Erst Forscher wie Martin Wilhelm Kutta in München und Ludwig Prandtl in Göttingen untersuchten nach 1900 die Strömungsphänomene mit systematischen Experimenten und erstellten eine neue Theorie. Damit legten sie den Grundstein für die Konstruktion moderner Flugzeugtragflächen.
    Und es gab einen weiteren Punkt, den Lilienthal für seine Flüge von Hügeln herab nicht in Betracht zog: thermische Aufwinde. Er hatte sich vollkommen auf das Fliegen gegen den Wind versteift, so wie er es von startenden Vögeln gelernt hatte. Für den späteren Segelflug hingegen ist die aufsteigende Thermik das entscheidende Moment: Das Sonnenlicht erwärmt den Boden, so dass darüber wie über einer Herdplatte warme Luft aufsteigt und ein Flugzeug oder einen Vogel aufwärts treibt. In Frankreich hatte bereits in den 1870er Jahren ein gewisser Alphonse Pénaud in einer Luftfahrtzeitschrift auf dieses Phänomen aufmerksam gemacht, doch blieb diese Arbeit weitgehend unbemerkt. Es dauerte noch bis 1922, als von der Wasserkuppe in der Rhön die ersten erfolgreichen Hangsegelflüge erfolgten.
    Genaue Beobachtungen von fliegenden Möwen und Störchen hatten Otto zu der Überzeugung geführt, dass diese ihren Auftrieb durch den nahe am Körper befindlichen Teil des Flügels erfahren, der auch den größten Teil der gesamten Flügelfläche ausmacht. Den Vortrieb aber erhalten sie, indem sie bei jedem Niederschlag den äußeren Teil der Flügel in der Längsachse verdrehen und damit gewissermaßen nach vorne rudern. Auf diese Weise werde der Kraftaufwand nach Ottos Ansicht minimiert. Er hoffte deshalb, dass auch der Mensch fliegen könne, wenn der Flügel geringfügig geneigt sei. Heute sprechen Fachleute vom Anstellwinkel der Tragfläche.
    Außerdem hatten seine zahllosen Versuche an der Rotiermaschine und auf freiem Feld ergeben, dass die günstigsten Verhältnisse eintreten, wenn die Tiefe der Flügelwölbung einem Zwölftel der Flügelbreite entsprach. Mit einer Flügelfläche von höchstens zwanzig Quadratmetern und einem maximalen Gewicht von zehn Kilogramm »wäre es wohl denkbar, dass damit in ruhiger Luft horizontal bei großer Geschwindigkeit geflogen werden könnte«. 6 Auf jeden Fall sollte aber ein »längerer, schwach abwärts geneigter Flug« möglich sein, folgerte er in seinem Buch, das trotz falscher physikalischer Voraussetzungen bahnbrechende Erkenntnisse lieferte und späteren Flugpionieren wie den Brüdern Wright wichtige Messwerte an die Hand gab. Grund dafür war vor allem sein unermüdlicher Experimentierwille.
    Von Oktober 1888 bis April 1889 hielt Otto vor dem »Verein zur Förderung der Luftschifffahrt«, dem die beiden Brüder 1886 beigetreten waren, eine Reihe von Vorträgen. Danach war die Zeit reif für richtige Flüge.
    Die ersten Versuche mit einem Flügelpaar, das elf Meter Spannweite aufwies, erfolgten im Sommer 1889 in Lichterfelde. Zunächst noch im Stehen, später traute sich Otto kleine Hüpfer von einer bis zu zwei Meter hohen Rampe in seinem Garten. Im Sommer 1891 fand er in dem zwanzig Kilometer westlich von Potsdam gelegenen Derwitz, wo sich einige Hügelerhoben, sein erstes Fluggelände. Die Flugapparate konnte er bei einem Bauern unterstellen. Mit von der Partie war ein Techniker seiner Firma namens Hugo Eulitz. Fast jeden Sonntag und teils auch unter der Woche fuhren die beiden dorthinaus und testeten die Fluggeräte, wobei auch Eulitz flog. Beide erlangten bald die Fertigkeit, »bei mäßigem Winde an den sanften Bergabhängen in der Luft hinabzugleiten und am Fuße des Berges ohne Unfall zu landen«, 7 schrieb Otto Ende 1891 in seinen Jahresbericht. Sein Bruder Gustav unterstützte ihn hingegen immer weniger. Er verfolgte zunehmend andere Interessen und hatte auch wegen des Risikos Bedenken.
    Ganz ohne Unfälle ging es nämlich nicht ab, vor allem bei plötzlichem Windwechsel: »Es ist mir auch vorgekommen, dass ich nach dem Absprunge vom Winde abgehoben und durch eine plötzliche Steigerung des Windes nach dem Abhange zurückgeworfen wurde, den ich schon um einige Meter überschritten hatte.« 8 Immer wieder verstauchte sich Otto Füße und Arme. Das gehörte eben dazu.
    Die Eskapaden dieses seltsamen, fliegenden Menschen sprachen sich

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