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Genial gescheitert - Schicksale großer Entdecker und Erfinder

Genial gescheitert - Schicksale großer Entdecker und Erfinder

Titel: Genial gescheitert - Schicksale großer Entdecker und Erfinder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Buehrke
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bald herum. Immer mehr Schaulustige, Reporter und Fotografen fanden sich ein. Einem von ihnen, dem Meteorologen Carl Kassner, verdanken wir einige schöne Fotos von Lilienthals Auftritten in seiner typischen Fliegerkluft.
    Bei diesen ersten Gleitflügen aus fünf bis sechs Metern Höhe erreichte Otto Weiten bis zu 25 Meter. Eigentlich nur kleine Hopser, aber selbst die waren niemandem vor ihm gelungen. Noch günstigere Flugbedingungen fand Otto in einem langgestreckten Hügel namens Rauher Berg zwischen Steglitz und Mariendorf. Hier unternahm er 1892 und 1893 zahllose Flugversuche, bald unter reger Anteilnahme der Bevölkerung: »Doch wurde ich zuweilen bei längeren Flügen von Zunahmen der Windgeschwindigkeiten überrascht, die mich fast senkrecht anhoben oder mehrere Sekunden zum großen Jubel der Zuschauer an einer bestimmten Stelle in der Luft festhielten.« 9
    Bei Sprüngen vom Rauhen Berg schaffte er aus einer Höhe von etwa zehn Metern Weiten bis zu achtzig Meter. Hierbei hatte er auch den größten von ihm gebauten Flugapparat mit elf Metern Spannweite und einer Fläche von 16 Quadratmetern verwendet, dessen Flügelenden hochgezogen und zurückgebogen waren. Er musste jedoch feststellen, dass die Geräte mit zunehmender Spannweite immer windanfälliger wurden und schwieriger zu beherrschen waren. Deswegen kehrte er zu kleineren Fluggeräten mit maximal sieben Metern Spannweite zurück. Insgesamt experimentierte Otto mit 18 Flugapparaten unterschiedlicher Bauart, darunter auch drei Doppeldeckervarianten und zwei Schlagflügelapparaten, von denen er jedoch rasch wieder abkam.
    Auf der am Westrand der Rauhen Berge gelegenen Maihöhe errichtete Otto später einen turmartigen Holzschuppen. Im Innern brachte er seine Flugapparate unter, während er vom Flachdach aus in westlicher Richtung abspringen konnte. Otto hatte sich wohl mit seinem Image als Spinner abgefunden, denn seine Flugversuche galten immer noch als so verrückt, dass nicht jeder Zuschauer gern dabei erkannt werden wollte. So berichtete ein Leutnant des Militärs später, er habe sich ein schlichtes Gewand des Bürgers angezogen, um möglichst wenig aufzufallen.
    Ottos Gleitflüge, die ihn bis zu fünfzig Meter weit trugen, wurden nun häufiger fotografisch festgehalten und in Zeitschriften abgedruckt, die auch im Ausland für Aufsehen sorgten. Zwar waren die Flüge in den unberechenbaren Winden nach wie vor nicht ungefährlich, dennoch war Otto davon überzeugt, dass sich das Fliegen bald als Sportart für jedermann etablieren werde. Deswegen ließ er sich einen seiner Flugapparate 1893 patentieren und bot ihn zum Verkauf an.
    Die Hoffnung, seine hohen Entwicklungskosten dadurch wieder hereinzubekommen, erfüllte sich jedoch nicht. Er verkaufte lediglich ein paar Exemplare für 300 bis 500 Mark dasStück in Europa und den USA. Einige Käufer experimentierten mit den Geräten und entwickelten sie sogar weiter, andere vermachten sie Museen, wo sie noch heute zu sehen sind.
    Gleichzeitig suchte sich Otto einen anderen, höheren Hügel als Übungsplatz. Fündig wurde er in den Rhinower Bergen bei Stölln, wo er später tödlich verunglückte. In einem seiner Jahresberichte schrieb er zu diesem Berg: »Als ich in diesem Jahre zum ersten Mal an diesen Berghängen mein Flugzeug entfaltete, überkam mich freilich ein etwas ängstliches Gefühl, als ich mir sagte: ›Von hier oben sollst du nun in das tief da unten liegende, weit ausgedehnte Land hinaussegeln‹.« 10 An dieser Stelle verwendete Lilienthal erstmals das Wort Flugzeug. Gleichzeitig machen diese Worte aber auch deutlich, dass der Pionier seine Flugzeuge nach wie vor nicht hundertprozentig im Griff hatte und mit Stabilisierungsproblemen kämpfte. Bei zwei Abstürzen im Jahre 1894 schützte ihn lediglich ein Prellbügel vor schwereren Verletzungen.
    Um sich den langen Anfahrtsweg zu sparen, kaufte Otto zudem einen nicht weit von seinem Haus gelegenen Abraumhügel einer Lehmgrube. Diesen »Töpferberg« ließ er so zu einem 15 Meter hohen Kegel umgestalten, dass er sich als Startplatz eignete. Allein diese Aktion kostete ihn 9000 Mark. Hier besuchten ihn nun zunehmend Flugbegeisterte aus aller Welt, darunter der Moskauer Professor Nikolai Schukowski, der Sekretär der berühmten Smithsonian Institution in Washington, Samuel Pierpont Langley, sowie der britische Unternehmer und Erfinder Hiram S. Maxim und dessen späterer Assistent Percy Sinclair Pilcher, der Ende 1899 bei einem eigenen Flugversuch

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