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Genial gescheitert - Schicksale großer Entdecker und Erfinder

Genial gescheitert - Schicksale großer Entdecker und Erfinder

Titel: Genial gescheitert - Schicksale großer Entdecker und Erfinder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Buehrke
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tödlich verunglückte. Alle spielten wichtige Rollen in der weiteren Entwicklung des Flugzeugs. Ein begeisterter Besucher war jedoch für ganz andere Dinge berühmt: der Maler Arnold Böcklin. Der hatte sich mit dem Vogelflug beschäftigt und erfolglos mit Flugapparaten experimentiert. Am Fliegeberg führte ihm Lilienthal einige Gleitflüge vor. Der damals schon 67-jährige Böcklin traute sich diese abenteuerliche Fortbewegungsartnicht zu, doch sein Sohn Carlo versuchte es mutig, kam aber über wenige Meter weite Hüpfer nicht hinaus.
    Unverdrossen setzte Otto seine Versuche fort. Im Mittelpunkt standen vor allem die Probleme der Steuerung und der Stabilität. 1895 konstruierte er Flügel, deren Spitzen sich mit Spanndrähten verdrehen ließen, und auch den Schweif konnte er nach links und rechts drehen – Prinzipien, die er den Vögeln abgeschaut hatte. Skizzen belegen, dass Lilienthal das Steuerproblem offenbar mit einem Höhenruder lösen wollte, allerdings kam er nicht mehr dazu, diese wegweisende Konstruktion zu testen.
    Zur selben Zeit kam ihm der Gedanke, dass ein Doppeldecker eventuell bessere Flugeigenschaften aufweist als seine einfachen Flügel. Es hatte sich ja gezeigt, dass die Flugapparate mit zunehmender Spannweite immer schwerer zu beherrschen waren. Ein Doppeldecker besaß bei gleicher Tragfläche wie ein Einflügler eine viel geringere Spannweite. Insgesamt baute Lilienthal drei verschiedene Doppeldeckertypen. Laut eines Zeitzeugen verbesserte sich die Stabilität jedoch nicht entscheidend.
    Schließlich kehrte Lilienthal doch noch zu seiner alten Idee eines Schlagflügelapparates zurück. Da der Mensch nicht kräftig genug ist, um sich damit von der Erde zu erheben, baute er einen neuen, mit komprimierter Kohlensäure arbeitenden Motor. Der funktionierte allerdings nicht zuverlässig. Erst der verbesserte Motor eines schweizerischen Ingenieurs lief für einige Minuten störungsfrei. Fliegen konnte man damit jedoch auch nicht.
    Obwohl der Weg eines Schlagflügelapparates in eine Sackgasse führte, war er doch lohnenswert, weil Lilienthal dabei erstmals einen Motor einführte. Den Einsatz von Propellern, den bereits einige Flugpioniere in England und den USA ausprobiert hatten, sah er hingegen als Irrweg: Vögel benötigen schließlich auch keine Propeller.
    Mit viel Schwung und neuen Ideen startete Otto Lilienthal in das Jahr 1896. Sein Maschinenbaugeschäft lief nach einigen Schwierigkeiten wieder an, auf der Berliner Gewerbeausstellung hielt er einen viel beachteten Vortrag über seine Flugapparate, und am 13. Mai hatte sogar sein Theaterstück im Ostend-Theater Premiere. Mit 48 Jahren war er zwar nicht mehr der Jüngste, aber sein Tatendrang war ungebrochen – bis zu jenem 9. August, an dem eine Windböe sein Leben beendete. Mit seinem Tod riss in Deutschland bis auf Weiteres auch die Flugzeugforschung ab.
    Die Beerdigung fand unter großer Anteilnahme nicht weit von seinem Fliegeberg statt. Seit 1952 sind sein Grab und das seiner Frau Agnes Ehrengräber der Stadt Berlin, auf dem Fliegeberg errichtete eine private Initiative eine Gedenkstätte, die noch heute an den Ikarus der Neuzeit erinnert.
    Seine Witwe Agnes hatte mit ihren vier Kindern ein schweres Los. Selbst der Verkauf der Dampfmaschinen-Firma und des gemeinsamen Hauses sowie eine kleine Staatsrente schützten sie nicht vor dem sozialen Abstieg. Da half letztlich auch kein Scheck über tausend Dollar, den ihr die Brüder Wright als Zeichen ihrer großen Wertschätzung 1911 schickten. Sie starb 1920 in einer kleinen Mansardenwohnung.
    Selbstverständlich hatten schon vor Otto Lilienthal Menschen versucht zu fliegen. Der Traum ist wohl fast so alt wie die Menschheit, wie die Sage von Ikarus und Dädalus beweist. In der Renaissance beschäftigte sich Leonardo da Vinci mit unterschiedlichen Fluggeräten, doch die praktische Erprobung blieb anderen vorbehalten, wobei die Geschichte reich ist an Unglücken und Todesfällen.
    Berühmt wurde Albrecht Ludwig Berblinger, besser bekannt als Schneider von Ulm. Mit einem Flügelschlagapparat schwang er sich am 31. Mai 1811 von der Adlerbastei herab, um die Donau zu überfliegen. Doch anstatt frei wie eine Vogel durch die Lüfte zu segeln, stürzte er wie eine Stein in den Fluss. Er überlebte und schwor der Fliegerei endgültig gab.Schlechter erging es dem Belgier Vincent de Groof. Der stieg im Sommer 1874 mit einem Ballon bis in einige zehn Meter Höhe auf und sprang dann mutig aus dem Korb.

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