Genom
diesem Tisch runterklettern, Ihr Hemd richten und verschwinden.«
»Nein. Nein«, murmelte er beschwichtigend. »Ich muss sie loswerden. Sie sind meine beste Hoffnung.«
»Wie schön für mich.« Ihre Stimme wurde leiser, als sie sich über ihn beugte. »Sie werden gleich etwas Kühles spüren. Das ist das übliche kombinierte Desinfektions- und Betäubungsmittelspray. Ich denke, wir können es bei einer lokalen Anästhesie belassen.«
Er war erleichtert. Wenigstens würde sie ihm keine Vollnarkose geben. In der Vergangenheit hatte ihn meist sein Verstand gerettet, und er wollte auch jetzt einen klaren Kopf behalten. Was ihn betraf, so hätte er die ganze Prozedur auch ohne irgendeine Betäubung über sich ergehen lassen, wenn er dadurch nur endlich diese Traktacs loswurde.
Etwas zischte wie ein Schüler, der in der Klasse flüsterte, und seine Seite wurde vom Unterarm bis zur Hüfte taub. Es stach ein wenig, als hätte er unabsichtlich seine feuchte Haut gegen einen offenen Kühlschrank gedrückt. Neugierig wie immer, versuchte er, dem Geschehen zu folgen, als sie sich an die Arbeit machte.
Ingrid schob sich eine chirurgische Brille vor die Augen und begann, ihn mit dem Extraktor zu untersuchen, da bemerkte sie sein Interesse. Dünn, aber zäh , stellte sie fest. Normalerweise würden Patienten, die eine Mehrfachextraktion hatten, ihren Kopf abwenden oder zumindest die Augen schließen. Doch nicht dieser Whispr. Als sie den ersten Einstich mit der Sonde machte, sah er ebenso angespannt zu wie sie.
Der in die dünne Sonde integrierte Ultraschallverjünger glitt in sein Fleisch und bewirkte, dass die Muskeln und Nerven, die er berührte, vorübergehend in metabolische Stasis versetzt wurden. Mithilfe ihrer Brille konnte Ingrid weit in den Körper ihres Patienten hineinsehen, und sie richtete die Spitze der Sonde auf den Traktac, der am tiefsten eingedrungen war. Diese Wahl war bei invasiven Operationen ohne Patientenöffnung Standard. Bei der Extrahierung von Fremdkörpern, seien es Splitter, Schrauben oder Projektile, entfernte man immer zuerst diejenigen, welche die größte Gefahr darstellten, um das Trauma und das Risiko für Komplikationen zu verringern.
Whispr sagte nichts und zuckte nur kaum merklich zusammen, als er mit ansah, wie die Sonde langsam in seinemKörper verschwand, dort einen Augenblick verweilte und wieder herauskam. Als sich die Prozedur wiederholte, fiel ein Traktac nach dem anderen klirrend auf das wartende Glastablett. Da seine Seite betäubt war, spürte er nichts. Der einzige Schmerz war psychosomatischer Natur. Der ganze Vorgang faszinierte ihn, ekelte ihn aber auch gleichzeitig an, und es war, als würde er die Projektion des Körpers eines anderen beobachten. Er fand das Ganze jedoch sehr beeindruckend, was unter anderem auch daran lag, dass die Frau, die die Operation durchführte, gut aussehend war und ihre Arbeit gekonnt ausführte.
Pling, pling, pling – sieben, acht, neun kleine graue Kügelchen lagen auf dem Tablett. Außer dem Geräusch, das sie machten, wenn sie auf das Glas fielen, und dem ruhigen Atmen von Ärztin und Patient war es still im Zimmer. Jetzt fehlten nicht mehr viele. Er blutete nicht. Die winzigen Löcher der zahlreichen Einstiche begannen bereits zu heilen, sobald die Sonde herausgezogen wurde.
»Das ist der letzte.« Einen Augenblick später hielt sie das Ende der Sonde über das Glastablett. Von der Spitze des Instruments fiel der letzte der juckenden, invasiven Traktacs herab. Sie stieß geräuschvoll die Luft aus, lehnte sich zurück, schob sich die Brille auf die Stirn und rieb sich die Augen. »Sie können sich jetzt aufsetzen, wenn Sie wollen. Irgendjemand scheint Sie jedenfalls nicht zu mögen.«
Er streckte sich, setzte sich auf und zog sein Hemd herunter. Von der Armbeuge bis zur Hüfte sah er aus, als hätte er die letzte Stunde unter einer Wärmelampe verbracht. Seine Seite tat ihm an den Stellen, an denen sie die Einstiche vorgenommen hatte, etwas weh, aber nicht so sehr, dass man von Schmerzen sprechen konnte.
»Jemand wie Sie vielleicht?«, wollte er wissen.
Sie sah ihn überrascht an. »Ich habe nie gesagt, dass ich Sie nicht mag. Ich habe keine Vorurteile. In Bezug auf Ihren vermeintlichen gesellschaftlichen Status lautet meine Devise: ›Im Zweifel für den Angeklagten‹.«
»Righteous hatte in Bezug auf Sie recht.« Er saß immer noch auf dem Untersuchungstisch, ließ die Beine herunterbaumeln und knöpfte sich das Hemd zu. »Sie
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