Genosse Don Camillo
zu
bringen, brauchte es Zeit. Nach rund zehn Kilometern gelangten sie zur
Einmündung der Straße, die den Sowchos »Rotes Banner« durchquerte; der Kanal
war über die Ufer getreten, und auf der Straße standen gut dreißig Zentimeter
Wasser.
Der Genosse Chauffeur lenkte,
mit der Erlaubnis des Genossen Oregow, gegen Tifiz nach links, und der Autobus
fuhr eine gute Stunde lang auf einem engen und gekrümmten Karrenweg, der aber
einen ziemlich festen Untergrund hatte.
Unglücklicherweise begann es
wieder zu regnen, und der Genosse Chauffeur saß bald in der Patsche, weil der
Wagen zu schleudern anfing und jeden Augenblick vom Weg zu rutschen drohte. Und
so geschah es, daß der Genosse Chauffeur, nachdem er fünfzigmal das
Ausgleichsgetriebe blockiert und von der Blockade befreit hatte, beim
einundfünfzigstenmal die Befreiung vergaß, so daß das Getriebe bei der nächsten
Kurve zerbrach, als wäre es aus Krokant.
Es regnete in Strömen, und es
machte den Eindruck, als ob nur Gott wisse, wann der Regen aufhören würde. Der
Abend brach herein, und man mußte sich entscheiden. Das Dorf Tifiz war bloß
fünf Kilometer weit weg. Der Genosse Chauffeur wurde mit dem Befehl, mit einem
Raupenschlepper der Kolchose zurückzukehren, dorthin geschickt.
Er kehrte zu Fuß zurück. Die
einzige Maschine der Kolchose Tifiz, die funktionsfähig war, bestand aus einem
Futtermittelelevator mit einem eigenen Motörchen.
Man entschied, daß dieses Gerät
nicht helfen konnte. Obwohl Tifiz unglücklicherweise zu jenen sechs Prozent
bedauernswerten Kolchosen gehörte, die noch kein Telefon hatten, so daß man von
dort keine Hilfe herbeirufen konnte, machte man sich zu Fuß nach der Ortschaft
auf. Es war ein unvergeßlicher Marsch, denn zum Regen hatte sich der Wind
gesellt, und man watete bis zu den Knöcheln im Schlamm.
Sie zogen in Tifiz ein, als es
schon dunkel war, und das Dorf bot keinen sehr gastlichen Anblick, da es zu
jenen acht Prozent gehörte, die noch nicht mit elektrischem Licht versehen
waren.
Der Versammlungssaal des
landwirtschaftlichen Sowjets war mit Futtersäcken verstopft, aber der Genosse
Oregow zog eine nie gehörte Stimme hervor, und nach einer halben Stunde waren
die Säcke verschwunden. Eine mit Besen bewaffnete Mannschaft von Kolchosenbauern
machte die Entrümpelung vollständig, und die »Erkürten«, die in einer Ecke des
unfreundlichen Raumes, der von Petrollaternen schlecht beleuchtet war,
verärgert warteten, wurden von einer Staubwolke begraben.
Der Genosse Pächter Tavan
befand sich ausgerechnet vor Don Camillo, und dieser benutzte den Umstand, um
das Werk seiner moralischen Auflösung fortzusetzen.
»Genosse«, verkündete er
Peppone mit bitterer Stimme,
»erinnerst du dich an das, was
ich dir in bezug auf die Bauern heute morgen sagte? In
Grevinec, wo alle leitenden Persönlichkeiten von der Partei gesandte
Funktionäre sind, stehen die Dinge zum besten . Hier,
wo die Kolchosebauern sich selber leiten, funktioniert nichts. Lastwagen und
Traktoren sind kaputt, und der Saal des Sowjets dient als Lagerraum. Verhält es
sich so nicht auch bei uns? In Piopette, wo man bäuerliche und bürgerliche
Gebäude wiederherstellte, was findest du in den Badewannen? Kartoffeln! Und im
Maschinenschuppen?
Reisigbündel, Maiskolben,
Hühner, Truthühner. Aber die Maschinen rosten unter den Bögen oder gar im
Freien. Glaub mir, Genosse: der Bauer besitzt nicht die nötigen Fähigkeiten, um
in einer sozialistischen Welt in Freiheit zu leben. Er muß ganz einfach die
Befehle ausführen. Zum Teufel mit dem Schlagwort: ›Der Boden den Bauern!‹ Der
Boden dem Staate, vom ersten bis zum letzten Zentimeter. Staatliche Sowchosen
solange, bis sich der Bauer seiner Pflichten und seiner Aufgabe bewußt geworden
ist.«
»Genosse, erwartest du das ?« grinste Scamoggia.
»Jahrhunderte sind nötig, ehe
etwas Gehirn in diese Zementschädel eindringt !«
Die Petrollaternen lieferten
nur wenig Licht, aber die Elefantenohren des Genossen Pächter Tavan zeigten ein so feuriges Rot, daß sie auch im tiefsten Dunkel
aufgefallen wären.
Don Camillo bereitete sich vor,
den zweiten Feuerstoß abzugeben, doch der Absatz von Peppones rechtem Schuh
preßte sich mahnend auf seine linke Fußspitze, die mit dem empfindlichen
Hühnerauge in Verbindung stand. Wenn die Mündung eines Maschinengewehrs seinen
Nabel bedroht hätte, wäre Don Camillo nicht stumm geblieben. Aber mit einem
Absatz auf seinem Hühnerauge, das schon durch die
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