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Genosse Don Camillo

Genosse Don Camillo

Titel: Genosse Don Camillo Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Giovannino Guareschi
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worden waren. Und durch
die breiten Fenster hindurch sah man keine strohbedachten Isbas, wohl aber
Wolkenkratzer von hundertfünfzig und auch von zweihundert Metern Höhe.
    Der Westen schaute stumm umher,
und ab und zu schluckte er leer.
    »Ihr dürft euch nicht
beeindrucken lassen«, flüsterte Peppone dem Westen ins Ohr. »Das ist alles
Propaganda! Immerhin, wenn es euch nach einer Prise Luft gelüstet, könnt ihr um
den Kreml herum einen Rundgang machen, das sind kaum fünf Kilometer .«
    Peppone wiederholte dem Don
Camillo genau und sehr aufgeregt die Erklärungen der Genossin Nadia Petrowna,
und in seiner Stimme zitterte soviel Stolz, daß man annehmen mußte, Moskau sei
von ihm erbaut worden.
    Der Genosse Yenka Oregow freute
sich über jedes Bewunderungsgeheul, das Peppone und seine Genossen ausstießen.
Der Genosse Oregow war kein gefrorener und gleichgültiger Bürokrat, und für die
tausend armseligen Rubel, die er monatlich vom Staat erhielt, gab er der Sache
für mindestens zehntausend Rubel Glauben und Begeisterung. Er fühlte sich
winzig, jedoch nötig wie einer der hunderttausend Backsteine, aus denen das
große Gebäude mit den massigen Mauern zusammengesetzt ist.
    ›Es braucht hundert Kopeken, um
einen Rubel zu machen, und tausend mal tausend Rubel, um eine Million Rubel zu
machen. Die Kopeke ist nur der hundertmillionste Teil der Million, aber wenn
meine Kopeke fehlt, wird man nie zur Million Rubel gelangen.‹ So dachte der
Genosse Oregow, und seine Überlegung war nicht abseitiger Art, denn wenn er
auch nur sein bescheidenes Kapital von einer Kopeke eingelegt hatte, fühlte er
sich doch als Millionär. Der Genosse Oregow bebte daher aus berechtigtem Stolz
jedesmal, wenn Peppone und Genossen ihrer Bewunderung lauten Ausdruck gaben,
und als er begriff, daß die Gäste nun doch der schönen Dinge satt waren, teilte
er ihnen durch die Genossin Nadia mit, daß der erste Teil des Stadtbesuchs als
erledigt zu betrachten sei.
    »Der Genosse Oregow sagt«,
erklärte die Petrowna, »daß es ratsam wäre, zu Fuß zum Hotel zurückzukehren,
damit ihr euch die Beine vertreten könnt. Es sind nur wenige hundert Meter .«
    Sie stiegen auf einem Platz
aus, der von majestätischen Gebäuden umgeben war, und machten sich auf den Weg.
    Als ob er sich in der letzten
Minute einer Einzelheit von zweitrangiger Bedeutung, die ihm entgangen war,
erinnere, rief der Genosse Oregow auf einmal aus: »Ah!«, um dann, nach einer
raschen Wendung, den Eingang einer Art großen und niederen Kioskes, der sich in
der Mitte des Platzes erhob, zu betreten.
    Die anderen folgten ihm. Eine
Rolltreppe nahm sie auf und trug sie zu den Eingeweiden der Erde hinunter.
    »Das ist eine
Untergrundbahnstation«, erklärte die Genossin Nadia, als alle vor der
Rolltreppe gelandet waren.
    Moskaus Untergrundbahn ist der
Stolz der Sowjetunion, und um eine Ahnung zu bekommen, wie sie sich
präsentiert, muß man an einen assyrisch-babylonischen Alpdruck denken: Marmor,
Kristall, Lüster, Porzellan, Mosaiken, Stukkaturen, Fresken, Hochreliefs,
Tiefreliefs, Statuen, Bilder, Stiche, Bronzen, Silber und Gold. Man wundert
sich, daß die Fahrgäste nicht Nerzmäntel tragen.
    Peppone und Konsorten waren wie
vom Blitz getroffen, und der Genosse Kopeke spiegelte sich in ihrer
Begeisterung.
    Der erste, der wieder zu sich
kam, war Scamoggia.
    »Genossin«, vertraute er leise
der Petrowna an, »nach dir ist dies die schönste Sache, die ich in der
Sowjetunion sah .«
    Die Genossin Petrowna, so
unversehens überrumpelt, war etwas perplex, hatte sich jedoch sogleich wieder
in der Gewalt.
    »Genosse«, warnte sie,
»angesichts dieses riesigen Werkes sowjetischer Arbeit und Kunst darf man nicht
spaßen !«
    »Genossin«, erwiderte
Scamoggia, »ich spaße nicht .«
    Die Art und Weise, wie er es
sagte, bewies, daß Scamoggia im Ernst sprach, und die Genossin Nadia vergaß für
einen Augenblick ihre Pflichten eines Parteifunktionärs und lächelte wie
irgendeine Bürgersfrau.
    Unterdessen hatte sich Peppone
an die Fersen Don Camillos geheftet. »Genosse«, rief er grinsend aus, »kannst
du dir denken, was ein gewisser Hochwürden aus unserer Bekanntschaft, wenn er
hier wäre, sagen würde ?«
    Die Untergrundbahnstation war
von Leuten überfüllt: Die gewohnten Männer und die gewohnten Frauen, eingemummt
in schlecht gemachte und verbrauchte Kleider. Die gewohnten traurigen
Gesichter.
    »Wenn er hier wäre«, erwiderte
Don Camillo, »würde er sagen, daß es besser ist,

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