Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Genosse Don Camillo

Genosse Don Camillo

Titel: Genosse Don Camillo Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Giovannino Guareschi
Vom Netzwerk:
einen«,
erwiderte Scamoggia. »Du hast einen klaren Kopf und kannst mich auf den
richtigen Weg verweisen. Wir haben heute nacht , nach
dem Tanzen, lange miteinander gesprochen... Ich konnte sie nicht so verlassen,
ohne jede Erklärung !«
    »Richtig!«
    »Sie wird in einigen Monaten
nach Rom kommen, weil sie als Übersetzerin eine Gruppe Funktionäre auf einer
Bildungsreise begleiten muß. Und dann...«
    Scamoggia zögerte.
    »Freund«, sagte er, indem er
Don Camillo in die Augen blickte, »kann ich mich dir anvertrauen ?«
    »Als ob du zu einem Beichtvater
sprächest .«
    »Nie werde ich einem Priester
meine Privatsachen erzählen !«
    erwiderte Scamoggia.
    »Daran tust du gut, Genosse.
Trotzdem hat es Priester gegeben, die sich lieber töten ließen, als daß sie
verraten hätten, was ihnen im Beichtstuhl anvertraut worden war. Wenn ich
Priester wäre, würde ich zu diesen gehören. Sprich !«
    »Sie kommt nach Rom«, fuhr
Scamoggia leise fort, »und wäre bereit, nicht mehr heimzukehren, um bei mir
bleiben zu können.
    Dürfte man so etwas machen ?«
    Don Camillo schüttelte den
Kopf.
    »Nein«, sagte er entschieden,
»das wäre feiger Verrat, und der Genosse Scamoggia kann sich nicht als Verräter
benehmen.
    Schon deshalb nicht, weil es
eine viel natürlichere und saubere Lösung gibt.
    »Und die wäre ?«
    »Das Mädchen ist tüchtig und
hat zweifellos wichtige Freunde in der Partei. Morgen früh werden wir in Moskau
sein, und es wird ihr keine Mühe machen, dir die Erlaubnis zu verschaffen,
hierzubleiben und irgendeine Arbeit zu finden.
    Viele haben das getan. Die
Sowjetunion hat tüchtige Techniker und zuverlässige Genossen nötig. Wenn du
erst einmal hier niedergelassen bis t, wird alles andere leicht. Und du wirst
mit deinem Herzen und deinem Gewissen in Ordnung sein, weil du ein armes,
braves, verliebtes Mädchen nicht in ein verrücktes Abenteuer ziehst !«
    Das Gesicht Scamoggias
verklärte sich.
    »Mein Gehirn denkt nicht mehr
vernünftig, und du hast mich auf den rechten, dazu einfachsten Weg
zurückgebracht !« rief er aus. »Wahrlich, ich bereue es
nicht, mich dir anvertraut zu haben. Ich danke dir, Genosse !«
    Er ging, nachdem er ihm aufs
kräftigste die Hand gedrückt hatte.
    »Herr«, flüsterte Don Camillo,
indem er die Augen nach oben wandte, »die Aufgabe des Genossen Guter Hirt
besteht darin, die Genossin Verirrtes Schaf wieder aufzufinden, um sie in den
Pferch der Partei zurückzubringen .«
    »Du irrst dich«, antwortete ihm
die Stimme Christi, »das ist die Aufgabe des Genossen Teufel .«
    Aber vielleicht war das nicht
die Stimme Christi; vielleicht war es der Wind, der über die verlassene und
trostlose Ebene brauste. Don Camillo ging der Sache nicht auf den Grund; er
ließ sie in der Schwebe. Auch, weil in diesem Augenblick Peppone ankam.
    »Warum seid Ihr nicht gekommen,
um ein wenig mit uns zu plaudern, statt hier zum Fenster hinauszublicken ?« fragte er.
    »Genosse«, antwortete Don
Camillo, »ein Zellenchef hat immer viel zu tun, wenn er auf der Höhe der
Aufgabe, die ihm die Partei anvertraute, bleiben will .«
    Peppone betrachtete ihn mit
Verdacht; dann zuckte er die Schultern.
    ›Himmel‹, dachte er, ›selbst
wenn es sich um den Teufel persönlich handelt, welches Unheil kann ein
einzelner Priester, eingeschlossen in einem Abteil des Zuges, der durch das
Herz des sowjetischen Rußland gondelt, anstiften ?‹

Im Vorzimmer der Hölle
     
    E ndlich war er da, der große Tag
des Genossen Peppone. Sie hatten eine riesige Traktorenfabrik und eine denkbar
gut ausgerüstete Kolchose besucht. Darauf waren sie zwanzig geschlagene Stunden
an Bord des Zuges gefahren, inmitten eines Ozeans von ertragreichen, gut
gepflegten Feldern, so daß sie ein Bild von dem ungeheuren landwirtschaftlichen
Reichtum und der administrativen Wirksamkeit der Sowjetunion erhalten hatten.
Aber das war nicht das Rußland, das den Westen verblüffen konnte.
    Bis zu diesem Augenblick hatte
der vom Zufall schändlich begünstigte Westen, vertreten durch Don Camillo,
leichtes Spiel gehabt, doch jetzt war der Freßnapf leer. Jetzt blieb dem Westen
nichts anderes übrig als vor lauter Wundern die Augen aufzureißen und das
dreimal verfluchte Maul geschlossen zu halten.
    Der moderne, komfortable und
majestätische Autobus, der sie durch die breiten und höchst schmucken Straßen
Moskaus spazieren fuhr, glich nicht einmal von fern dem großen Karren, auf dem
sie über die lehmigen Sträßchen der Ukraine gefahren

Weitere Kostenlose Bücher