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Genosse Don Camillo

Genosse Don Camillo

Titel: Genosse Don Camillo Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Giovannino Guareschi
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gemacht. Das geht immer so, wenn man allzu Starkes trinkt. Aber
jetzt haben sich die Wodkadünste verflüchtigt. Der Chef kann sagen, was er
will: Ich bin Berufsfotograf und kenne meine Pflichten. Hier hast du die Spule
mit allen Fotos, die ich gestern geknipst habe, während du tanztest. Mach
damit, was du willst.«
    Don Camillo nahm das Röllchen,
das der andere ihm reichte.
    »Ich bin dir dankbar, Genosse«,
antwortete er. »Das ist eine sehr sympathische Geste .«
    Der Genosse Peratto stand auf.
    »Es ist eine Frage der
Berufsmoral«, stotterte er, »und der Solidarität. Auch ich habe eine Frau, die,
je älter sie wird, desto eifersüchtiger und verständnisloser ist. Ich werde dem
Chef sagen, die Spule habe Licht bekommen .«
    Er ging, und als er draußen
war, lenkte Don Camillo seine Augen zum Himmel.
    »Herr«, sagte er, »nach dem,
was geschehen ist, schäme ich mich fast, keine alte und eifersüchtige Frau zu
haben .«
    Dann riß er Hals über Kopf sein
Notizbuch heraus und schrieb: »Die Frau ist das Opium der Völker .« Er konnte nichts anderes beifügen, weil genau in diesem
Augenblick der Genosse Scamoggia auftauchte.

    Er flegelte sich auf den Sitz,
der dem von Don Camillo gegenüber lag, zündete eine Zigarette an und schob sie
in die äußerste Ecke des verbitterten Mundwinkels.
    Er war schrecklich ernst, und
man sah, daß tiefe und quälende Gedanken seinen Geist beschäftigten.
    Don Camillo schaute ihn ein
schönes Weilchen an; dann zog er, da der andere nicht aus seiner Zurückhaltung
heraustrat, das Notizbuch aus der Tasche und schickte sich an, seine Notizen zu
ergänzen.
    »Genosse!«
    Don Camillo legte das Notizbuch
hin.
    »Irgendein Kummer ?« ermutigte er ihn.
    »Genosse, du weißt, was gestern
abend geschehen ist .«
    »Mach dir darüber keine
Gedanken«, beruhigte ihn Don Camillo. »Capece war vor einer Minute da. Alles in
Ordnung.«
    »Capece? Was hat der damit zu
tun ?« fragte erstaunt der Genosse Scamoggia.
    »Er hat damit zu tun, weil du
ihm ein blaues Auge geschlagen hast«, rief Don Camillo aus. »Außerdem hat er
eine dicke Beule am Hinterkopf .«
    »Ah !« murmelte Scamoggia. Er erinnerte sich nicht mehr.
    »Nicht von dem wollte ich reden .«
    »Dann verstehe ich weniger als
nichts«, erklärte Don Camillo, der tatsächlich völlig im dunkeln tappte.
    Scamoggia machte einige
Lungenzüge.
    »Gestern abend«, beichtete er,
»hatte ich einen Augenblick der Schwäche, und da ist mir eine Ohrfeige
ausgerutscht .«
    »Wem gegenüber?«
    »Ihr.«
    Da Don Camillo von dieser Sache
nichts wußte, blieb er einen Augenblick stumm. Er mußte die Erklärung erst
verdauen.
    »Du hast die Genossin Petrowna
geohrfeigt ?« stammelte er schließlich. »Und warum?«
    Scamoggia breitete trostlos die
Arme aus.
    »Die Genossin Petrowna ist eine
gescheite Frau und wird sich bewußt sein, daß du zuviel Wodka getrunken
hattest«, meinte Don Camillo.
    »Ich hatte nicht getrunken«,
stellte Scamoggia richtig, »und sie weiß es ganz genau. Das ist der Haken .«
    Scamoggia warf die Zigarette
auf den Boden und zertrat sie. Er war ganz deprimiert und erregte Don Camillos
Mitleid.
    »Nicht dramatisieren, Genosse!
Sie muß ein gutes Geschöpf sein...«
    »Sie ist es !« bestätigte Scamoggia ermuntert. »Sie ist schön, gut und brav, und ich kann sie
nicht behandeln wie irgendein Lottchen. Ich kann sie nicht täuschen .«
    Rußland ist entsetzlich weit
von Rom entfernt, und Don Camillo, ein armer und einfacher Priester aus dem Tiefland,
verstand die besondere Denkart eines Bullen aus dem Trastevere nicht.
    »Täuschen ?« stammelte er. »Und warum?«
    »Freund !« schrie Scamoggia. »Scherzen wir? Wenn Nanni Scamoggia einem Mädchen eine
Ohrfeige gibt, tut er das nicht nur so zum Spaß. Oder scheint dir, Nanni
Scamoggia sei einer jener Halunken, denen es Freude macht, die Frauen schlecht
zu behandeln ?«
    Don Camillo schüttelte ernst
den Kopf.
    »Jetzt verstehe ich! Im Grunde
hast du Angst, das Mädchen denke, es interessiere dich .«
    »Jawohl.«
    »Hingegen interessiert dich das
Mädchen gar nicht. Aber du hast nicht den Mut, es zu enttäuschen .«
    »Eben.«
    »Dann ist alles einfach: Du
beläßt es bei der Täuschung, und wenn sie dich demnächst abreisen sieht, wird
sie sich dreinschicken .«
    »Sie ja! Aber ich werde mich
nicht dreinschicken .«
    Don Camillo war sich des
Ernstes der Lage völlig bewußt.
    »Freund«, rief er aus, »wenn es
so steht, weiß ich dir keinen Rat .«
    »Natürlich weißt du

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