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Genosse Don Camillo

Genosse Don Camillo

Titel: Genosse Don Camillo Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Giovannino Guareschi
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ein Beefsteak von einem
Tonteller zu essen als eine Zwiebel von einem Goldteller .«
    »Das ist niedriger
Materialismus«, stellte Peppone vernichtend fest. Aber er dachte an das
Beefsteak.
     
    Es waren die Tage der
Entspannung. Die Sowjetunion schaute nicht auf die Spesen und hatte für die
Gäste das schönste und größte Hotel der Stadt gewählt – eine Sache nach Art der Untergrundbahn, mit mehr als tausend Zimmern und großen
Sälen und Salons und Salönchen und Lifts und so fort.
    Nach dem Mittagessen ließ sich
Don Camillo in einen Polstersessel der Halle nieder, um das Schauspiel der
Leute, die kamen und gingen, zu genießen. Es war ein außerordentliches
Schauspiel, denn es schien, als hätten sich alle Rassen der Welt hier ein
Stelldichein gegeben. Man sah gelbe, schwarze, braune, graue, grünliche,
weißliche Gesichter mit allen Zwischentönen, und man hörte hundert Sprachen
reden.
    Natürlich ließ Peppone Don
Camillo nicht lange allein; er kam herbei und setzte sich neben ihn.
    »Es ist ein wahres Babel«,
bemerkte nach einem Weilchen Don Camillo.
    »Scheint so«, erwiderte
Peppone. »Doch obwohl sie verschiedene Zungen haben, verstehen sich diese
Menschen vollkommen, weil sie alle in der gleichen Art und Weise denken. Und
das ist die Kraft des Kommunismus. Habt ihr heute morgen Lenins Mausoleum gesehen mit den zahllosen Leuten, die warten, bis die Reihe an
ihnen ist? Eine endlose Schlange, und das ist immer so, jeden Tag, vom Morgen
bis zum Abend, denn wer immer nach Moskau kommt, spürt das Bedürfnis, dem
Manne, der das Licht in die Welt der Finsternis gebracht hat, Ehre zu erweisen.
Und alle diese Menschen, vom Kongolesen zum Chinesen, vom Italiener zum
Grönländer, sind erleuchtet worden .«
    Don Camillo schaute Peppone
ehrlich begeistert an.
    »Genosse«, sagte er, »als du
noch Bürgermeister warst, hast du von diesen Dingen nichts gewußt .«
    »Ich wußte das alles, wie ich es jetzt weiß. Aber ich wußte nicht, daß ich es wußte. Dann hat
sich die Einsicht eingestellt, und ich habe sie gefunden und gefeilt. Im Grunde
geschieht mit Lenin dasselbe, was mit Christus geschah, als er Mode war. Mit
dem Unterschied, daß es sich im Fall Christi um Aberglauben handelte. Hier aber
handelt es sich um den gesunden Menschenverstand. Die Wahrheit lag vor unseren
Augen, war jedoch im Dunkel versteckt. Lenin hat die Fackel entzündet, die sie
ins Licht gesetzt hat, so daß alle sie sehen konnten. Darum spürt jeder, der
nach Moskau kommt, das Bedürfnis, Lenin seine Dankesschuld zu entrichten .«
    »Aber ist da nicht noch ein
anderer Mann im Mausoleum, zusammen mit Lenin ?« erkundigte sich Don Camillo.
    »Er ist es und ist es nicht«,
antwortete Peppone. »Wie dem auch sei, das Volk steht vor dem Mausoleum
Schlange, um Lenin zu huldigen. Übrigens werdet Ihr das sehen .«
    Don Camillo schüttelte den
Kopf.
    »Ich werde es nicht sehen«,
sagte er.
    »Wir werden hernach alle zum
Mausoleum gehen«, erwiderte Peppone. »So haben wir es mit dem Genossen Oregow
beschlossen .«
    »Ich habe keine Dankesschuld zu
bezahlen«, erklärte Don Camillo. »Ich folge der Mode nicht, und für mich ist
die Offenbarung Christi noch gültig .«
    Peppone grinste.
    »Ein Zellenchef hat seine
bestimmten Pflichten, denen er sich nicht entziehen kann .«
    »Aber ein Pfarrer hat noch
bestimmtere Pflichten«, entgegnete Don Camillo.
    Indem er sich eben dieser
Pflichten erinnerte, entnahm er der Tasche eine Karte, zog ein Tischchen zu
sich und schickte sich an, zu schreiben.
    »Ich hoffe, daß Ihr mir keine
dummen Streiche macht !« brummte Peppone besorgt.
    »Darf ein Genosse in seiner
Heimatstadt nicht einen Freund haben, der auf dem Platz des Bischofssitzes
wohnt ?«
    »Aber auf dem Platz des
Bischofssitzes ist nur der Sitz des Bischofs !« rief
Peppone aus.
    Don Camillo streckte ihm die
Karte hin.
    »Wie du siehst«, erklärte er,
»habe ich den Umstand, daß am Bischofssitz nur der Bischof sitzt, dazu benutzt,
um die Karte an einen nicht näher bezeichneten ›Herrn‹, der den gleichen
Vornamen und Namen wie der Bischof trägt, zu adressieren.«
    Peppone nahm die Karte, warf
einen Blick auf die Adresse und hielt sie Don Camillo hin.
    »Ich will nichts von Euren
persönlichen Geschäften wissen .«
    »Genosse«, riet ihm Don
Camillo, »wenn ich an deiner Stelle wäre, würde ich meine Unterschrift
hinsetzen .«
    »Ihr seid ja verrückt !« erwiderte Peppone.
    »Und wenn morgen Christus
wieder Mode würde ?« warf Don Camillo

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