Gentec X 04 - Der Kampf um die Erde
»Was Sie vor sich sehen, ist eine Bilokation mit technischen Mitteln, Professor. Sie sprechen direkt mit mir.«
Mit ungewolltem Humor fügte sie hinzu: »Das menschliche Wort ›Ich kann mich nicht zerteilen‹ ist nicht mehr gültig.«
»Sie sind auch kein Mensch.«
»Ich war es, ich habe diese Existenz hinter mir gelassen. Mich bedrohen kein Alter mehr, keine Krankheit und nicht einmal der menschliche Tod. Ich bin ein Kunstwesen, eine Techno. Mir ist der uralte menschliche Traum der Unsterblichkeit in Erfüllung gegangen.«
»Alles vergeht«, sagte John Snipe.
»In Ewigkeiten oder Äonen, nicht einmal das ist gewiss. Ich kann mich verändern, erneuern. Im Genpool regenerieren. Mein Geist kann seine Erinnerung ablegen, oder in zusätzliche Gehirne einspeichern.«
John Snipe schwindelte es. Hatten die Technos es tatsächlich ermöglicht, und konnten die Gencoys ihre Gehirnkapazität zusätzlich aufstocken, so wie bei einem Computer USB-Sticks zusätzliche Speicherkapazität schufen und Festplatten erweitert und neue eingebaut werden konnten?
Unglaubliche Horizonte taten sich dem Professor auf.
»Wir wollen von praktischen Dingen reden«, sagte er. »Sie haben mit mir einen Handel geschlossen. Die Menschen, die ich führte, bleiben verschont.«
Harriet Coleman lächelte ihr berühmtes Lächeln, das sämtliche Jackettkronen zeigte. Es gehörte zu ihrem Programm.
»Was gilt ein Wort, das Bugs gegeben wurde? Wanzen verspricht man nichts. Doch seien Sie unbesorgt, Professor Snipe. Im Moment haben wir kein Interesse an Ihrer Gattin, der schwangeren Schwiegertochter und den übrigen dort bei der Farm unten. Zu gegebener Zeit werden wir Sie einsammeln und einem Genpool zuführen, oder sie in ein Bug-Reservat bringen.«
John Snipe überlief es eiskalt. Er zerrte an seinen durchsichtigen Fesselbändern, vermochte jedoch nicht, sie zu lockern.
»Ihr wollt Reservate für die Menschen einrichten?«, fragte er.
»Das haben wir schon. Es gehört mit zur Machtübernahme der Gencoys, die zu den Technos zählen, und zur Annexion Gentecs.«
»Des Konzerns?«
»Des Planeten. Ihr habt ihn Terra oder Erde genannt. Eine höchst alberne Bezeichnung, typisch für Bugs. Erde, das bedeutet für uns Klumpen, Bazillen und Dreck. Wir werden einen Techno-Planeten schaffen, eine reine und klare Welt.«
»Was geschieht mit der Natur?«
»Maschinen und Androiden schaffen sich ihre eigene Umgebung. Wir brauchen keine Kleinstlebewesen, Nahrungsketten und dergleichen. Wir benötigen nur Ressourcen. Die Schwächen der Organs, der organischen Rassen, werden abgeschafft. Lord Tec wird alles regieren.«
»Das ist Wahnsinn!«
»Den Begriff kennen wir nicht, nur fehlerhafte oder defekte Programme. Psychische Instabilität und Emotionen sind uns unbekannt.«
»Aber die Genchips mit den menschlichen Gehirnbotenstoffen und Ingredienzien benötigt ihr. Ohne sie kommt ihr nicht aus.«
»Das Problem beseitigen wir noch, wenn wir das Universum beherrschen. Bis es soweit ist, greifen wir auf die Ressourcen zurück, die wir brauchen. Die menschlichen Gefühle sind bei uns jedenfalls ausgemerzt. Keine Schwäche.«
»Genau das ist die größte Schwäche«, sagte der Ethik- und Geschichtsprofessor, »wie die Geschichte lehrt.«
»Menschliche Geschichte, Bug-Ethik. Ihr seid so beschränkt. Unfähig, der kosmischen Herausforderung gerecht zu werden. Das Universum gehört den Technos.«
»Noch ist es nicht so weit.«
Harriet Coleman lächelte programmgemäß, was zu ihrer Darstellung gehörte.
»Ich kann Zehntausende von Jahren leben und mich dann erneuern lassen. Wie lange ist Ihre Lebensspanne, Professor Snipe? Lächerlich gering. Sie sind eine Bakterie in einem Tümpel.«
John Snipe schwieg dazu, er fühlte sich nicht beleidigt. Die Frau oder das Wesen vor ihm war ein Automat. Automaten konnten einen Menschen vernichten, aber nicht kränken.
»Ich will Ihre Tochter treffen, Professor«, sagte die Gencoy Harriet Coleman. »Sie hält sich im Amazonasgebiet auf, wo sie mit einer Handvoll Verbündeter einer unserer Einheiten einen nicht nennenswerten Schaden zufügte. Um Kollateralschäden zu vermeiden, will ich jedoch ein Gespräch mit ihr.«
»Wie soll das aussehen?«
Coleman fuhr ihren rechten Arm aus. Die Extremität wurde zu einer Greifklaue und Schere, die sich klappernd öffnete und schloss. Der linke Arm zeigte am Ende eine düsenförmige Öffnung, aus der ein kurzes Flämmchen züngelte. John Snipe war zu Recht der Ansicht, dass sich
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