Gentlemen, wir leben am Abgrund
dieser Finalserie werden, die Fragen der Journalisten vor der Halle und kurz vor der Abfahrt des Busses deuten darauf hin. Heute Morgen hat er der ARD Fragen beantwortet. Was er vom Bamberger Publikum erwarte? Welche Gefühle er habe, wenn er an Bamberg denke? Ob er sich vorstellen könne, für Bamberg zu spielen? Schultze kann diese Geschichte schon jetzt nicht mehr hören. Er hat ein Ziel, und Bamberg steht im Weg.
Zwanzig Stunden später sitzen wir zur letzten Videoanalyse im Schlosshotel, in einem anderen Zimmer wie noch im Winter unter Luka Pavi ć evi ć . Heute ist es heiß, es gibt hier keine Klimaanlagen. Die Spieler tragen kurze Hosen und Badelatschen, die Coaches schwitzen. Bobby verzweifelt an der Hitze. Zur Feier des ersten Finalspiels stehen Obst und Eiscreme auf einem Tisch, die Eiscreme schmilzt vor sich hin. Konsti hat Videoclips zusammengestellt, die zwei Fragen beantworten: Wer sind wir? Und wer ist Bamberg?
In der Hauptrunde haben beide Mannschaften zweimal gegeneinander gespielt, Bamberg hat zweimal gewonnen. Einmal vernichtend in Bamberg, einmal knapp in Berlin. Die Bamberger sind ein eingespieltes Team, das meist mit vier guten Schützen und einem Center auf dem Spielfeld steht. Sie passen flüssig, sie werfen hochprozentig. Und sie sind schlecht auszurechnen. Bamberg hat sieben Spieler, die Topscorer sein können. Ihr Aufbauspieler ist der mit allen Wassern gewaschene John Goldsberry, ein exzellenter Passgeber und Balldieb. In den Videos der letzten Spiele trägt er halblange Haare und einen wilden Playoffbart, ein Dirigent im Holzfällerhemd. Er ist ein unangenehmer Gegner, weil er Basketball und Schauspielerei gleichermaßen beherrscht. Er ist ein Provokateur. »The league’s #1 flopper«, steht in den Papieren. Alle wissen, dass Goldsberry das Spiel auf allen Ebenen spielt.
Der Forward Casey Jacobsen hat einmal für Berlin gespielt, er ist ein hervorragender Dreierschütze und galt eine Weile als bester Spieler der Liga. Die Berliner kennen ihn in- und auswendig. Jacobsen ist ein kalifornischer Mormone, an seinem College in Stanford ist er eine Legende. Er hat für die Phoenix Suns, Memphis Grizzlies und New Orleans Hornets gespielt, später in Spanien. Überall, wo er anheuert, lobt er das Publikum als die besten Fans der Welt. Die Berliner erinnern sich an seine Bubblegum-Freundlichkeit, aber auf dem Spielfeld ist er aggressiv und attackiert ohne Unterlass, er ist ein Trashtalker und Mitreißer. Sein Zahnschutz leuchtet, wenn er schreit und lamentiert.
Unter dem Korb beginnt Bamberg die Spiele mit dem jungen Tibor Pleiß, einem milchgesichtigen, aber riesigen 2,15-Talent. Wenn Pleiß ausgewechselt wird, kommt Kyle Hines, den sie Karl-Heinz nennen, ein Center mit unfassbarer Armspannweite und blitzschnellen Bewegungen. Hines ist ein besserer Spieler als Pleiß, älter und schlauer, aber er kommt von der Bank, um das zerbrechliche Selbstbewusstsein des Talents zu stabilisieren. Hines explodiert zum Korb, aber er wirft nur im äußersten Notfall von außen. Er wirkt sympathisch, und man hört Gerüchte, dass er Bamberg verlassen wird. Aber jetzt ist er da.
Genau wie Predrag Šuput da ist, der Spieler, den die Berliner am meisten fürchten. Šuput ist Šuput. Und auch der Rest des Teams besteht aus exzellenten Basketballspielern, die ihre Rolle im Team kennen und entsprechend spielen. Der korbgefährliche Aufbau Anton Gavel, ein äußerst unangenehmer Verteidiger, der mit Heiko Schaffartzik befreundet ist. Reyshawn Terry, ein gleichermaßen athletischer wie erratischer Flügelspieler. Der Shooting Guard Brian Roberts, der in dieser Saison schon ein paar Spiele im Alleingang für die Bamberger gewonnen hat. Der Defensivhund Karsten Tadda. Ein schmaler Kader, aber mit großer Qualität, der durch ein paar talentierte Jugendspieler ergänzt wird. Der Bamberger Coach ist Chris Fleming, ein hagerer Mann, der einmal ein kräftiger Spieler war. Die Bamberger sind bereit, sie stehen seit Tagen in den Startlöchern. Sie spielen zuhause, seit Tagen warten sie unruhig auf die Berliner. Sie scharren mit den Hufen wie Rennpferde mit guter Quote. »Sie werden uns gleich im ersten Viertel erledigen wollen«, sagt der Coach. »Seid nicht naiv.«
Und die Mannschaft wirkt nicht naiv, als sie zwei Stunden vor dem ersten Finalspiel ihre Zimmer verlässt. Sie wirkt gleichzeitig hellwach und todmüde. McElroy hat in den letzten Tagen Zahnschmerzen gehabt, aber ist nicht zum Arzt gegangen. In der Nacht vor
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