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Geographie der Lust

Geographie der Lust

Titel: Geographie der Lust Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jürg Federspiel
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den Air-Conditioner auf kalt.«
    »Gerne, mein Herr.«
    Omai O'Hara warf nicht einmal einen Blick aus dem Fenster. Er ignorierte alles, zog ein Kreuzworträtselheft aus einer Seitentasche und begann mit unglaublicher Schnelligkeit, Buchstaben hinzukritzeln.
    »Woher kommen Sie?« rief er einmal, ohne den Blick zu heben. »Ich meine, woher stammen Sie?« »Palermo, Sizilien«, antwortete Silvio, während er zwei Fahrzeuge unmittelbar vor einer Kurve überholte.
    »Stimmt«, antwortete O'Hara und kritzelte ein paar Buchstaben in das Kreuzworträtsel: »Stadt in Sizilien lautet die Frage fünf waagrecht. Palermo. Ausgezeichnet. Ich danke.«
    Silvio wollte etwas Freundliches bemerken, einfach so und aus mediterraner Verbindlichkeit, sah aber im Rückspiegel, wie sein Fahrgast die künstlichen Augenbrauen wegriß.
    Er hatte sich nie vorstellen können, wie zwei so niedliche Verzierungen aus kleinen Härchen das Gesicht eines Menschen verändern. O'Haras Stirn nahm sich nun, im Verhältnis zum Rest des Kopfes, aus wie die eines Embryos im fünften Monat.
    Silvio betete und konzentrierte sich zugleich auf die Straße, die von allen Mördern und Selbstmördern des Alltags befahren wurde. Mailänder!
    Er schämte sich ein wenig vor dem amerikanischen Gast, und als er ihn wieder im Rückspiegel betrachtete, trug O'Hara ein neueres, schmaleres Paar Augenbrauen.
    »Gefällt Ihnen Italien?« fragte Silvio.
    O'Hara antwortete nicht. Er grinste nur. Wie alle, die Italien nur aus amerikanischen Filmen kannten, hatte er die Italiener immer ein wenig als komisch empfunden. Ihre Seele saß im Mund. Darum konnten sie so gut singen.
    Er streute Pulver auf die Vertiefung zwischen den Fingerknöcheln, sog es in die Nasenlöcher und entlud sich niesend nach ein paar Sekunden.

DREIZEHN
    Robusti stand auf der Freitreppe seines Palazzos, in Lederjacke, Stiefeln und mit einer doppelläufigen Schrotflinte, als wäre er eben von der Jagd zurückgekehrt. Natürlich war keine Jagdsaison im sommerlichen Italien, doch woher sollte das ein Tätowiergenie aus Santa Monica wissen? Robusti wollte sich sportlich geben, sportivo , lässig, ein bißchen gelangweilt. Daß er seit mehr als einer halben Stunde auf den Treppenstufen wartete, hatte nur die Dienerschaft zur Kenntnis genommen.
    »Benvenuto, benvenuto!« rief er nun und stapfte der Limousine entgegen.
    Omai O'Hara wartete lethargisch, bis Silvio ausgestiegen war und die Tür öffnete.
    Er stieg aus, als wären seine sämtlichen Körperteile lädiert.
    »Sie sind wohl der Jagdaufseher?« fragte er mit unterdrücktem Gähnen.
    Robusti ließ sich nicht aus der Ruhe bringen. »Das ist richtig«, antwortete er und hoffte auf den Sieg dank seiner Selbstironie. »Ich bin Jagdaufseher.«
    »Nett. Und wie heißen Sie?«
    »Robusti.« Diesmal konnte die Verblüffung nicht ausbleiben.
    »Robusti? Dann sind Sie wohl ein Verwandter?«
    »Nein. Ich bin Robusti.«
    »Das habe ich begriffen«, antwortete Omai O'Hara, »Sie sind Robusti, der Jagdaufseher, ein Vetter, nehme ich an. Nice to meet you. Bitte lassen Sie mein Gepäck auf mein Zimmer bringen. Ich bin todmüde und möchte ein paar Stunden schlafen. Siesta.«
    Robusti ließ nun seine Brust anschwellen wie seinerzeit der Duce vor einer Rede.
    »Primo Antonio Robusti, das bin ich.« Er glaubte die Schlacht gewonnen zu haben.
    »Also hab' ich mit Ihnen telephoniert?« fragte O'Hara beiläufig.
    »Jawohl, mit mir. Ich bin Ihr Auftraggeber.«
    O'Hara fixierte mit strengem Blick Robustis Nasenwurzel. Sonst nichts, bloß die Nasenwurzel, so lange, bis Robusti unwillkürlich diese Stelle mit dem Zeigefinger abtastete.
    O'Hara lächelte.
    »Auftraggeber? Ich bin Künstler. Sie zahlen.«
    Bevor sich die schattenwerfenden Runzeln auf Robustis Stirn wieder glätteten, gab sich O'Hara eine, ja nur eine Sekunde, von seiner freundlichen Seite. Da in italienischen Filmen die Italiener sich oft umarmen, zog er Robusti mit stählernem Arm an sich, dicht an sich, küßte ihn symbolisch links und rechts und wurde von einem Niesanfall gepackt.
    Robusti, geübt im Umgang mit sogenannten Menschen, die er gewöhnlich zuerst mit einem Blick auf den Hosenlatz musterte, war angewidert.
    »Mister O'Hara, was darf man Ihnen zur Erfrischung aufs Zimmer bringen?«
    »Ein Glas Orangensaft, wenn ich bitten darf.«
    »Luisa«, rief Robusti gleichsam in die leere Luft, »ein Glas mit frischem Orangensaft in die Räumlichkeit Mr. O'Haras.«
    »Frisch gepreßt?« fragte der Gast. »Aus

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