Geographie der Lust
der Gewinner. »Das Metallköfferchen in Ihrer Rechten enthält wohl die Utensilien für Ihr Make-up?«
O'Hara holte etwas umständlich sein Pulverdöschen aus der Brusttasche, bediente sich kräftig. Nicht nur der Mund, auch die Nasenlöcher öffneten sich, bis es zur Entladung kam.
»Ich fragte nach Ihrer Bemalung«, sagte Robusti, eiskalt wie ein Porzellanteller im Bauch der Titanic. »Ich muß mich von außen her entfremden für meine Arbeit«, antwortete O'Hara, haßte sich jedoch sogleich, denn ein Künstler erklärt nichts und niemals; dennoch fuhr er fort: »Das Objekt, das Modell, darf keinerlei Emotion an mir entdecken, keinen Hauch von Menschlichkeit. Nichts. Nur so ist es willfährig.«
Dies wiederum beeindruckte Robusti außerordentlich; er hätte beinahe Gedanken darüber angestellt und wollte sogar zu einem Gespräch über Machiavelli ansetzen.
Zu spät. Die Hände in den Taschen seines wolkengrauen Morgenrocks vergraben, stand der Meister vor der Wand, die mit Robustis Nachkommenschaft verziert war. Er winkte mit dem Zeigefinger über die Schulter nach seinem Auftraggeber, eine sehr herablassende Geste, und der auf diese nicht ganz höfliche Art Befohlene gesellte sich zu ihm; sie standen fast Schulter an Schulter.
Omai O'Hara deutete mit dem Zeigefinger auf die Fotos und berührte mit dem versilberten Fingernagel vier, fünf, ja sechs der abgebildeten Kindergesichter, betrachtete hierauf mit zusammengekniffenen Augen Robusti, verglich offenbar, musterte wiederum die Gesichtszüge der Kinder, verglich nochmals und schüttelte schließlich den Kopf.
»Sie gestatten, wenn ich mit Bezug auf meine langjährige Kenntnis etwas offenbaren muß, das Sie vermutlich schmerzen wird: Diese Kinder, es sind drei Jungen und ein Mädchen, dürfen sich nicht Ihrer Vaterschaft rühmen. Hier«, er legte den Zeigefinger auf das Foto von Marco, dann auf das von Augusto und Giorgio, dann auf das Bildchen von Manuela. »Die haben nicht die geringste Ähnlichkeit mit Ihnen. Man hat Sie zum Hahnrei gemacht.«
Primo Antonio Robusti wurde weiß wie eine Eierschale.
O'Hara tätschelte seine Wangen, tröstete ihn mit der Überbevölkerung, nannte Milliardenzahlen und führte ihn zu seinem Schreibtischsessel, in den Robusti sich so schwer fallen ließ, daß der eichene Parkettboden unter dem Teppich dumpf knarrte, morsch und wurmstichig.
O'Hara stand nun am Fenster, blickte gelangweilt in den Park und hob sich plötzlich auf die Zehen, als hätte er etwas Seltsames erblickt.
»Das Objekt meiner Kunst?«
Seine Langeweile war verflogen. Robusti trat zu ihm.
Ein junges Mädchen wandelte durch die Zypressenallee; schwarzhaarig, in wiesengrünem Kasak (ein Geschenk der neuen Freundin Lucia) ohne Ärmel, einem engen piniengrünen Rock, der ihre straffen Rundungen betonte; hochhackige Sandalen brachten die braungebrannten Waden zur Geltung.
Sie sah aus wie der Frühling im Sommer, und es war ja Sommer: ihr Anblick verwirrte die Jahreszeiten. Laura Granati. Ihre Lippen leuchteten wie das Rot eines Ferrari.
Alles, was fehlte, war Schneegestöber.
SECHZEHN
Laura, sonst quirlig wie ein Springbrunnen, gelenkig wie eine Antilope, sinnlicher als das sinnlichste Mondlicht, bequemer als ein Koalabär und munterer als eine in der Weihnachtskälte singende Heilsarmistin, ging gemessenen Schritts ins Badezimmer und begann mit ernsthafter Miene ihre Vorbereitungen.
Was hier nicht aus Marmor war, bestand aus Spiegeln. Sie ließ lauwarmes Wasser in die Wanne fließen, schrubbte Zähne und Zahnfleisch, schnitt entsetzliche Grimassen wie alle Frauen beim Schönmachen, ließ Ober- und Unterlippe sich gegenseitig massieren, machte die Augen kugeln und schielen, spionierte die Wirkung der Augendeckel aus – einer mußte nolens volens geöffnet bleiben. Sie übte den züchtigen Blick, den lasziven und den ablehnenden, den vielversprechenden und den gelangweilten, dann den schmollend sinnlichen, den arroganten und den hilflosen.
Im Hinblick auf die möglichen Auswirkungen malte sie sich köstliche Situationen aus und ließ dem lauen Wasser heißes, dampfendes nachsprudeln, setzte sich und seifte sich ein. Seifen! Da waren solche mit dem Geruch von Zitronen, Mango, Pfirsichen, Äpfeln, Kokosnuß und Ananas.
Sie richtete nun ihre volle Aufmerksamkeit auf das Wichtigste: ihr rundes, pralles Hinterteil, geteilt vom senkrechten Äquator, etwas für Kenner.
Sie hielt nun einen Spiegel unter die leicht gespreizten Oberschenkel und
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