Geopfert - [Gus Dury ; 1]
längst umgelegt. Für manche von uns ist er nie außer Reichweite.
Sie hatten mich zu einer Pressekonferenz im neuen Parlamentsgebäude geschickt, diesem 500-Millionen-Fiasko. Irgendein Hinterbänkler produzierte sich mit Gefasel über Einwanderung, während das ganze Land von einem fanatischen Nationalismus erfasst wurde. Ein Leben in Angst vor dem finsteren Ausländer, der in Massen durch den Kanaltunnel herüberschwappt, um uns unsere Jobs zu stehlen. Alisdair Cardownie, dieser konservative Kacker und stellvertretende Minister für Einwanderung, sprang voll auf den Zug des dumpfen Hasses auf. Schlug harte Töne an bei einem gefühlsgeladenen Thema, um sich zu profilieren. Ich hatte das schon zigmal erlebt. Ehrlich gesagt, das Geschwafel eines weiteren schwabbelbackigen, inzestuösen, privilegierten Penners interessierte mich einen Furz.
Mir war kalt draußen, und ich kämpfte mit einem mordsmäßigen Kater: ein echtes Sonnenbrille-an-einem-grauen-Tag-Szenario. Ronnie, mein Fotograf, besorgte mir ein Viertel Black Bush, um meine Nerven zu beruhigen, und sagte: »Da kommt er, Gus, alles klar bei dir?«
Ich nickte. Leerte den größten Teil der Flasche auf einen Zug.
Der Chauffeur hielt an, und so ein überbezahlter Lakai stürmte vor wie ein Türsteher bei Harrods, der gerade Elton John erspäht hatte, der sich aus dem Fond eines Bentley schälte.
»Heilige Scheiße! Hast du das gesehen?«, fragte ich.
»Ruhig Blut«, sagte Ronnie. Er ging in die Hocke und fing an zu knipsen.
Ich trat auf ihn zu und hielt ihm das Diktaphon hin. »Herr Minister, darf ich Ihnen ein paar Fragen stellen?«
Müde Blicke in meine Richtung.
»Herr Minister, wenn Sie nichts dagegen haben?« Ich blieb freundlich, aber der Frust brodelte in mir. Ich meine, seine Truppe hatte uns herbestellt, also sollte nicht ich derjenige sein, der sich hier abstrampelte. Ich legte einen Zahn zu, beugte mich vor. »Herr Minister, wenn Sie nichts dagegen haben, würde ich Sie gern fragen, wie Sie den Schlepperorganisationen einen Riegel vorschieben wollen?«
Ich spürte einen Arm auf meiner Brust. Ein weiterer, eine geöffnete Handfläche am Ende, wurde mir ins Gesicht geschoben. »Keine Interviews«, sagte der Lakai. Sein Gesicht konnte ich nicht sehen, nur das des Junior-Ministers, der sich hinter seinen Anhängern versteckte. Er hatte einen selbstgefällig zufriedenen Du-kannst-mir-gar-nichts-Ausdruck im Gesicht, den ich schon mal gesehen hatte.
»Was?«, sagte ich.
»Keine Interviews«, wiederholte der Lakai.
»Was meinen Sie mit ›Keine Interviews‹? Das hier ist verdammt noch mal eine Pressekonferenz!« Ich war kurz davor, gewaltig auszurasten. Und dann brachte mich diese verweichlichte Kacknase von einem Minister vollends auf die Palme. Er sägte sie unter mir ab und versetzte ihr einen Tritt. Im nächsten Augenblick schnipste er mit den Fingern wie Brando in Freshman, und ein Schwarm Handlanger in Anzügen nahm mich in die Mangel wie Türsteher.
»Nehmt eure Scheißpfoten von mir«, brüllte ich.
Ich spürte, wie mir das Blut in den Kopf schoss. Ich sah, wie Ronnie sich die Hand vor die Augen hielt, als wollte er gar nicht hinsehen, und dann machte irgendetwas Klick! Mein Hals wurde völlig trocken … und ich ließ einen rechten Schwinger los.
»O mein Gott!«, hörte ich Ronnie schreien.
Mit meinem Schlag erwischte ich niemanden, dafür brachte er mich aber so aus dem Gleichgewicht, dass ich einen Satz nach vorne machte und mit dem Kopf voran seinem weiten Schwungbogen folgte. Urplötzlich ragte der Minister vor mir auf, und ruckzuck stellte meine Stirn sauber Kontakt mit seiner Nase her.
Das war ein Flugkopfball, wie er sich in den letzten Sekunden eines Europacup-Finalspiels wunderbar gemacht hätte. Ich muss unerschrocken und furchtlos ausgesehen haben. Wie ein irrwitzig herumhüpfender Skin auf Sauftour. Aber das alles war völlig unbeabsichtigt.
»Meine Nase, meine Nase«, jaulte der Minister.
Leute drängten sich heran, sagten:
»Legen Sie den Kopf zurück.«
»Nehmen Sie das Taschentuch hier.«
»Legt ihm was Kaltes in den Nacken.«
Ronnie heulte fast. »Was hast du getan, Gus?«, fragte er.
»War doch nur ein Klaps. Ein Klaps, mehr war das doch gar nicht«, sagte ich.
Ich konnte die ganze Aufregung nicht verstehen. Dann kamen die Handschellen, und ich spürte die Hitze von mindestens tausend explodierenden Fotoblitzen.
Ich schaffte es in sämtliche Abendnachrichten. Das erste Mal in meiner Karriere. Und das
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