Geopfert - [Gus Dury ; 1]
passiert?«
»Ein Feuer.«
»Wirklich?« Die Bemerkung ›Kein Scheiß, Sherlock?‹ behielt ich für mich. »Ist irgendwer verletzt worden?«
Der Bulle legte seinen Kopf in den Nacken und fixierte mich unter dem Schirm seiner Mütze hervor. »Wohnen Sie hier, Sir?«
»Nein. Also, doch, früher.«
Sein Kopf senkte sich wieder, gefolgt von einem Stirnrunzeln. »Früher?«
»Hören Sie, mein Freund wohnt hier. Milo. Geht’s ihm gut?«
»Ich habe keine Ahnung. Da müssen Sie den Inspector fragen.«
Ich ließ ihn stehen, wie er einen Daumen lässig unter seinen Gürtel geschoben hatte, konnte mir für ihn einen besseren Ort vorstellen, ließ es aber dabei bewenden.
Im Haus waren die Wände rußgeschwärzt. Der Boden unter meinen Füßen war quatschnass von den Gallonen Wasser, die hineingepumpt worden waren, um den Brand zu löschen. Es war unmöglich zu erkennen, wo es gebrannt hatte, aber dann hörte ich Stimmen aus Milos Zimmer. Ich setzte mich sofort in Bewegung, rutschte auf dem nassen Teppichboden aus und beschmierte mich an Armen und Händen mit Ruß, als ich versuchte, nicht das Gleichgewicht zu verlieren.
»Was ist passiert?«
»Wer zum Teufel sind Sie denn?«, fauchte mich ein Trenchcoat an, der Kopf kahlrasiert, das Gesicht zerschlagen wie nach einer Tracht Prügel.
»Dury. Mein Freund wohnt hier.«
Er musterte mich von oben bis unten. »Hier wohnt niemand. Nicht mehr.«
»Noch mal bitte?«
Er drehte sich von mir weg, sprach mit einem der Uniformierten. Während ich seinen Hinterkopf anstarrte, war mir schwer danach, ihn mit einem Genickschlag durch die Wand zu prügeln.
»Was meinen Sie mit: hier wohnt niemand mehr?«
Der Trenchcoat nickte dem Uniformierten zu, drehte sich dann wieder zu mir um. Er stopfte seine Hände in die Taschen und sagte: »Sehen Sie sich das an.«
Er deutete auf einen Haufen leerer Flaschen in der Ecke des Zimmers; sie waren rußgeschwärzt und verbrannt.
»Leere Flaschen. Na und?«
»Hier wohnt niemand mehr, weil der alte Penner, der in diesem Zimmer gehaust hat, sich mit billigem Vladivar die Kante gegeben hat und dann hier drinnen bei lebendigem Leib verbrannt ist!«
Ich hatte das Gefühl, als zirkulierte kein Blut mehr in meinen Adern. Mein Mund war völlig trocken, mein Magen verkrampfte sich.
»Wissen Sie … das ist eben die Gefahr von Rauchen und Trinken.« Er zeigte auf einen Haufen verkohlter Sachen in der Ecke. Ich konnte vage das eiserne Bettgestell ausmachen, auf das Milo jeden Abend seinen Kopf gebettet hatte. War dieser Haufen alles, was von ihm übrig war?
»Verfluchter dummer alter Bastard«, sagte er.
»Nein. Nein! Sie machen einen Fehler. Er hat nicht getrunken. Und todsicher hat er nicht geraucht!«
Ich ging zu dem geborstenen Fenster und schnappte nach Luft. Draußen wurde ich von den sich drehenden Lichtern der Feuerwehrwagen praktisch besinnungslos geschlagen. Ich spürte, wie ich weiche Knie bekam, hielt mich am Fenstersims fest und bereitete mich auf den Sturz vor.
»Fehler – Affenscheiße! Das ist ein Kinderspiel, hab’s schon eine Million Mal zuvor gesehen: So ein alter Suffkopf fängt an, auf die gute alte Zeit zu trinken, denkt, er steckt es immer noch so locker weg wie früher, und dann – wuschschsch! Hat wahrscheinlich nichts mehr gespürt.«
Ich drehte mich zu schnell um, das Zimmer drehte sich mit mir. »Nein! Sie sehen das völlig falsch. Das hier ist ein Mord! Er hat mich angerufen, um mir zu sagen, dass hier irgendwas im Gange war.«
»Mord? Bringen Sie mich nicht zum Lachen.«
Ich stürmte zu ihm und packte ihn am Revers. »Ich sag’s Ihnen doch – Sie müssen diese Sache ordentlich untersuchen!«
Der amüsierte Tonfall verschwand aus der Stimme des Trenchcoats. »Wer zum Teufel sind Sie denn, dass Sie sich einbilden, mir sagen zu können, wie ich meinen Job zu machen habe?« Während er sprach, schlug er meine Arme nach oben weg. Was wiederum ausreichte, mich aus dem Gleichgewicht zu bringen und auf den nassen, rußgeschwärzten Boden zu werfen.
»Das hier ist ein glasklarer Fall – der alte Suffkopf hat sich in Brand gesetzt, nachdem er die ganze Scheiße da getrunken hatte. Und so wie Ihr Atem riecht, mein Junge, sollten Sie besser darauf achten, wie viel Sie selbst vertragen.«
»Aber –«
»Aber Scheiße auch! Schaffen Sie Ihren Arsch hier weg, bevor ich Sie einbuchte, weil Sie mir auf die Eier gehen. Und jetzt: Bewegung!«
Z um zweiten Mal in einer Woche warf ich mir meine Tasche über die Schulter
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