Geopfert - [Gus Dury ; 1]
dich meine Gefühle interessieren. Als nächstes wirst du noch fragen, wie ich zurechtkomme.«
Ihre Hand löste sich ruckartig von dem Riemen und klatschte auf ihren Oberschenkel. »Hör zu, wenn du jetzt aggressiv wirst …«
»Dann wirst du was tun? Deinen Anwalt veranlassen, mir einen weiteren Drohbrief zu schreiben?«
»Okay. Ich sehe schon, es hat wenig Sinn, das weiterzuverfolgen.«
Sie drehte sich um, ging zur Tür. Ich bremste mich, denn ich wollte nicht, dass es so zwischen uns lief. »Sorry, Debs, es tut mir leid … Das alles nervt mich unendlich.«
Sie drehte sich um, nahm die Hand von der Türklinke. »Für mich ist es auch nicht einfach.«
»Ich weiß, aber ich stehe im Moment unter einem ziemlichen Druck.«
»Trinkst du wieder?«
»Nein. Gott, nein – habe keinen Tropfen angerührt.«
»Seit wann?«
»Tage.«
»Wie viele – einen, zwei?«
Sie kannte mich. Jeder Tag mehr wäre ein neuer Rekord gewesen; na, dann hatten wir ja vielleicht doch etwas, worüber wir reden konnten.
»Spielt das eine Rolle? Wichtig ist doch wohl nur die Tatsache, dass ich mich bessere, oder?«
Ein weiteres Tss-tss, leiser diesmal, fast verborgen unter einem Atemzug.
»Was heißt das?«, sagte ich.
»Nichts.«
»Nein. Nein. Mach schon. Sag mir, was du meinst.«
»Es hat keinen Sinn.«
»Es hat jeden Sinn. Ich will wissen, was du mit deinem Tss-tss gemeint hast.«
»Gus, hör auf damit.«
»Ich werde nicht – ich werde nie trocken. Das ist es doch, was es bedeutet, stimmt’s? Du glaubst nicht an mich, Debs, das hast du gottverdammt noch nie getan!«
»Genau, das ist es. Und ich denke nicht daran, mich wieder einer deiner unsinnigen Schreiattacken auszusetzen. Ich hatte gehofft, wir könnten die Dinge gütlich regeln, aber das ist offensichtlich nicht möglich.«
»Die Wahrheit tut zu weh, hmh?«
»Es reicht, Gus. Ich hab’s dir beim letzten Mal schon gesagt: Ich habe die Nase voll von den Streitereien und Schuldzuweisungen – ich bin nicht dein Feind. Das war ich nie.«
Tss-tss.
Ich drehte den Spieß um. Das war ein gutes Gefühl – für ungefähr eine Sekunde.
»Du hast mich weggestoßen – genau wie du alles andere auch wegstößt.«
»Ja, ja.«
»Mach nur weiter so. Am Ende wirst du gar nichts mehr haben. Traurig und einsam starrst du in eine Whiskyflasche.« Sie wurde lauter, ihre Stimme überschlug sich. »Wie konntest du nur denken, ich könnte tatenlos dabei zusehen, wie du dir das antust?«
»Debs –«
»Nein, lass es.« Ich hatte sie zum Weinen gebracht. »Es ist aus, und je früher du das begreifst, desto besser. Um Gottes willen, sieh dich doch nur an. Nicht wegen dieser verkorksten Ehe, sondern allein um deinetwillen.«
»Debs –«
»Es ist aus. Ich will, dass du mich nicht mehr anrufst, hast du mich verstanden?«
»Was – warum?«
»Ich meine es ernst. Wenn du mir noch etwas zu sagen hast, dann ruf meinen Anwalt an.«
»Debs … Debs …«
I ch begann mir vorzustellen, dass die Tage ohne einen Drink mir geschadet hatten.
Ich ging in eine Weinstube in einer Seitenstraße des Shandwick Place. In diesen Läden würde ich am liebsten kotzen. All diese Anzugtypen, größtenteils Designer. All dieses Gelaber über positives Denken und Ideen-in-Versuchsballons-Umsetzen. Alle sahen so großspurig und unbeschwert aus. Ich wusste, ich hasste sie nicht nur wegen dem, was sie waren, sondern auch wegen dem, was sie hatten.
Ich konnte nur fünf Minuten in dem Lokal ertragen. Lange genug für zwei Gläschen und um meinen Tatterich zu beruhigen.
Der Bus raus ins East End schien langsamer zu fahren als üblich. Die Straßen waren verstopft mit Taxis und cruisenden Teenagern. Als ich es endlich zum Fallingdoon House geschafft hatte, hatte die Wirkung des Whiskys eingesetzt, und ich drohte jeden Augenblick einzuschlafen.
Dann sah ich die Blaulichter. Polizei. Feuerwehr. Krankenwagen.
Es erforderte meine gesamte Kraft, aber ich schaffte es, die letzten hundert Meter zu rennen.
Es war das reinste Chaos. Rauch quoll aus einem Fenster im Erdgeschoss, das die Feuerwehrleute eingeschlagen hatten, um dort einsteigen zu können. Vor dem Gebäude standen Bewohner in Schlafanzügen und Nachthemden, zitternd und sich die Lungen aus dem Leib hustend.
»Was zum Teufel ist denn hier los?«, brüllte ich.
Niemand antwortete mir. Der Schock stand ihnen überdeutlich ins Gesicht geschrieben und sagte mir, sie wussten genauso wenig wie ich.
Ich schnappte mir einen Bullen. »Was ist
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