Georg Büchner - Gesammelte Werke: Dantons Tod, Lenz, Leonce und Lena, Woyzeck, Lucretia Borgia, Maria Tudor (Gesammelte Werke bei Null Papier) (German Edition)
Euer Brot, das hat Danton gefressen. Sein Kopf wird euch allen wieder Brot geben, er hatte recht.
Erster Bürger : Danton war unter uns am 10. August, Danton war unter uns im September. Wo waren die Leute, welche ihn angeklagt haben?
Zweiter Bürger : Und Lafayette war mit euch in Versailles und war doch ein Verräter.
Erster Bürger : Wer sagt, daß Danton ein Verräter sei?
Zweiter Bürger : Robespierre.
Erster Bürger : Und Robespierre ist ein Verräter!
Zweiter Bürger : Wer sagt das?
Erster Bürger : Danton.
Zweiter Bürger : Danton hat schöne Kleider, Danton hat ein schönes Haus, Danton hat eine schöne Frau, er badet sich in Burgunder, ißt das Wildbret von silbernen Tellern und schläft bei euren Weibern und Töchtern, wenn er betrunken ist. Danton war arm wie ihr. Woher hat er das alles? Das Veto hat es ihm gekauft, damit er ihm die Krone rette. Der Herzog von Orléans hat es ihm geschenkt, damit er ihm die Krone stehle. Der Fremde hat es ihm gegeben, damit er euch alle verrate. Was hat Robespierre? Der tugendhafte Robespierre! Ihr kennt ihn alle.
Alle : Es lebe Robespierre! Nieder mit Danton! Nieder mit dem Verräter!
Vierter Akt
Erste Szene
Ein Zimmer
Julie. Ein Knabe.
Julie : Es ist aus. Sie zitterten vor ihm. Sie töten ihn aus Furcht. Geh! ich habe ihn zum letzten Mal gesehen; sag ihm, ich könne ihn nicht so sehen. (Sie gibt ihm eine Locke.) Da, bring ihm das und sag ihm, er würde nicht allein gehn er versteht mich schon. Und dann schnell zurück, ich will seine Blicke aus deinen Augen lesen.
Zweite Szene
Eine Straße
Dumas. Ein Bürger.
Bürger : Wie kann man nach einem solchen Verhör soviel Unschuldige zum Tod verurteilen?
Dumas : Das ist in der Tat außerordentlich; aber die Revolutionsmänner haben einen Sinn, der andern Menschen fehlt, und dieser Sinn trügt sie nie.
Bürger : Das ist der Sinn des Tigers. Du hast ein Weib.
Dumas : Ich werde bald eins gehabt haben.
Bürger : So ist es denn wahr?
Dumas : Das Revolutionstribunal wird unsere Ehescheidung aussprechen; die Guillotine wird uns von Tisch und Bett trennen.
Bürger : Du bist ein Ungeheuer!
Dumas : Schwachkopf! Du bewunderst Brutus?
Bürger : Von ganzer Seele.
Dumas : Muß man denn gerade römischer Konsul sein und sein Haupt mit der Toga verhüllen können, um sein Liebstes dem Vaterlande zu opfern? Ich werde mir die Augen mit dem Ärmel meines roten Fracks abwischen; das ist der ganze Unterschied.
Bürger : Das ist entsetzlich!
Dumas : Geh, du begreifst mich nicht! (Sie gehen ab.)
Dritte Szene
Die Conciergerie
Lacroix, Hérault auf einem Bett, Danton, Camille auf einem andern.
Lacroix : Die Haare wachsen einem so und die Nägel, man muß sich wirklich schämen.
Hérault : Nehmen Sie sich ein wenig in acht, Sie niesen mir das ganze Gesicht voll Sand!
Lacroix : Und treten Sie mir nicht so auf die Füße, Bester, ich habe Hühneraugen!
Hérault : Sie leiden noch an Ungeziefer.
Lacroix : Ach, wenn ich nur einmal die Würmer ganz los wäre!
Hérault : Nun, schlafen Sie wohl! wir müssen sehen, wie wir miteinander zurechtkommen, wir haben wenig Raum. Kratzen Sie mich nicht mit Ihren Nägeln im Schlaf! So! Zerren Sie nicht so am Leichtuch, es ist kalt da unten!
Danton : Ja, Camille, morgen sind wir durchgelaufne Schuhe, die man der Bettlerin Erde in den Schoß wirft.
Camille : Das Rindsleder, woraus nach Platon die Engel sich Pantoffeln geschnitten und damit auf der Erde herumtappen. Es geht aber auch danach. Meine Lucile!
Danton : Sei ruhig, mein Junge!
Camille : Kann ich’s? Glaubst du, Danton? Kann ich’s? Sie können die Hände nicht an sie legen! Das Licht der Schönheit, das von ihrem süßen Leib sich ausgießt, ist unlöschbar. Sieh, die Erde würde nicht wagen, sie zu verschütten; sie würde sich um sie wölben, der Grabdunst würde wie Tau an ihren Wimpern funkeln, Kristalle würden wie Blumen um ihre Glieder sprießen und helle Quellen in Schlaf sie murmeln.
Danton : Schlafe, mein Junge, schlafe!
Camille : Höre, Danton, unter uns gesagt, es ist so elend, sterben müssen. Es hilft auch zu nichts. Ich will dem Leben noch die letzten Blicke aus seinen hübschen Augen stehlen, ich will die Augen offen haben.
Danton : Du wirst sie ohnehin offen behalten, Samson drückt einem die Augen nicht zu. Der Schlaf ist barmherziger. Schlafe, mein Junge, schlafe!
Camille : Lucile, deine Küsse phantasieren auf meinen Lippen; jeder Kuß wird ein Traum, meine Augen sinken und schließen ihn fest
Weitere Kostenlose Bücher