Georg Büchner - Gesammelte Werke: Dantons Tod, Lenz, Leonce und Lena, Woyzeck, Lucretia Borgia, Maria Tudor (Gesammelte Werke bei Null Papier) (German Edition)
den Füßen zerstampft! Ich mußte ihn gehen lassen! keine Waffen bei mir! Er erblickt auf dem Boden den Dolch, womit Lord Clanbrassil den Juden getötet hat; er rafft ihn mit rasender Eile auf. Ah! du kommst zu spät! du kannst wahrscheinlich nur mich noch töten! aber das ist gleich, magst du vom Himmel gefallen oder von der Hölle ausgespien sein, ich segne dich! Oh! Jane hat mich verraten! Jane hat sich diesem Schurken überlassen! Jane ist die Erbin des Lord Talbot! Jane ist für mich verloren! Oh Gott! das sind in einer Stunde mehr schreckliche Dinge, als ein Kopf tragen kann.
Simon Renard erscheint im Dunkeln im Hintergrunde der Bühne.
Oh! mich an diesem Menschen rächen! mich an diesem Lord Clanbrassil rächen! Wenn ich zum Palaste der Königin gehe, werden mich die Knechte mit Fußtritten wegstoßen, wie einen Hund. Oh! ich bin ein Narr; mein Kopf hält’s nicht aus. Oh! was liegt mir am Tod, aber ich will gerächt sein! Ich würde mein Blut für die Rache geben! Gibt es Niemand unter der Sonne, der diesen Handel mit mir eingehen möchte? Wer will mich an Lord Clanbrassil rächen und mein Leben als Lohn nehmen?
Neunte Szene
Gilbert, Simon Renard
Simon Renard : Ich.
Gilbert : Du! Wer bist du?
Simon Renard : Ich bin der Mann, den du forderst.
Gilbert : Weißt du, wer ich bin?
Simon Renard : Du bist der Mann, den ich brauche.
Gilbert : Ich habe nur noch einen Gedanken, weißt du das? An Lord Clanbrassil mich rächen und sterben.
Simon Renard : Du wirst dich an Lord Clanbrassil rächen und sterben.
Gilbert : Ich danke dir, wer du auch seist!
Simon Renard : Ja, du sollst die Rache haben, die du forderst; aber vergiß nicht, unter welcher Bedingung. Ich muß dein Leben haben.
Gilbert : Nimm es.
Simon Renard : Sind wir einig?
Gilbert : Ja.
Simon Renard : Folge mir.
Gilbert : Wohin?
Simon Renard : Du wirst es erfahren.
Gilbert : Denke, daß du mir versprachst, mich zu rächen!
Simon Renard : Denke, daß du mir versprachst, zu sterben!
Zweite Handlung – Die Königin
Personen
Die Königin – Gilbert – Fabiano Fabiani Simon Renard – Jane
Edelleute Der Henker
Zweiter Tag
Eins von den Zimmern der Königin. Ein Evangelium aufgeschlagen auf einem Betpult. Die königliche Krone auf einem Schemel. Seitentüren. Eine breite Türe im Hintergrund. – Ein Teil des Hintergrundes wird durch eine große gewirkte Tapete verdeckt.
Erste Szene
Die Königin reich gekleidet auf einem Ruhebette. Fabiano Fabiani sitzt auf einem Schemel zur Seite, prächtiges Kostüm, das Hosenband.
Fabiani : eine Guitarre in der Hand, singt :
Träumst du, o holde Traute,
Sanft unter meinem Aug’,
So lispelt Liebeslaute
Mir deiner Lippen Hauch.
Entknosp’t aus Prunk und Schleier
Blüht mir dein süßer Leib.
Mir ewig teuer,
Schlaf süß, hold Weib!
Hör’ ich aus deinem Munde:
»Du liebst mich« – dann schon hier
Schließt sich in sel’ger Stunde
Der Himmel auf über mir.
Vom heil’gen, ew’gen Feuer
Der Liebe strahlt dein Blick!
Weib, mir so teuer,
Sei stets mein Glück!
Vier Zauberworte heben,
In Klarheit, ungetrübt,
Empor das ganze Leben,
Beneidet und geliebt.
Das ist des Lebens Sonne,
Mein ewig junges Glück:
»Gesang, Traum, Wonne
Und – Liebesblick!«
Er stellt die Guitarre weg. Oh! ich liebe Euch mehr, als ich sagen kann, Madame! Aber dieser Simon Renard! dieser Simon Renard! mächtiger hier, als Ihr selbst, ich hasse ihn.
Die Königin : Ihr wißt wohl, daß ich nichts dafür kann, Mylord. Er ist hier der Gesandte des Prinzen von Spanien, meines zukünftigen Gemahls.
Fabiani : Eures zukünftigen Gemahls!
Die Königin : Still, Mylord, sprechen wir nicht mehr davon. Ich liebe Euch, was braucht Ihr mehr? Und dann, es ist jetzt Zeit, daß Ihr geht.
Fabiani : Marie, noch einen Augenblick!
Die Königin : Aber es ist die Stunde, wo der geheime Rat sich versammelt. Bisher war nur das Weib hier, die Königin muß jetzt hereintreten.
Fabiani : Ich will, daß das Weib die Königin vor der Türe warten läßt.
Die Königin : Ihr wollt! Ihr wollt! Ihr! Seht mich an, Mylord. Du hast einen jungen und reizenden Kopf, Fabiano.
Fabiani : O, Ihr seid schön! Ihr würdet nichts nötig haben, als Eure Schönheit, um allmächtig zu sein. Auf Eurem Haupte ist etwas, das sagt, daß Ihr die Königin seid; es steht aber noch viel deutlicher auf Eurer Stirn, als auf Eurer Krone.
Die Königin : Ihr schmeichelt.
Fabiani : Ich liebe dich.
Die Königin : Du liebst mich, nicht wahr? Du liebst nur mich? Sage mir
Weitere Kostenlose Bücher