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George, Elizabeth

George, Elizabeth

Titel: George, Elizabeth Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wer dem Tod geweiht
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sein, bis ihm klar wurde, dass es sein Herzschlag war, der die
Geräusche übertönte und ihm unerklärlich laut in den Ohren pochte. »Und was ist
das?«
    Sie befingerte den Stiel ihres
Glases. Sie hatten Wein getrunken, zwei Flaschen, und am nächsten Morgen würde
er den Preis dafür zahlen müssen. Aber sie saßen schon seit mehreren Stunden
hier, und er fühlte sich nicht im Mindesten betrunken.
    Er sagte ihren Namen, um sie
zu einer Reaktion zu ermuntern, und wiederholte die Frage.
    »Sie sind doch ein erfahrener
Mann, also werden Sie es vermutlich wissen«, sagte sie.
    Wieder Herzklopfen, diesmal in
Verbindung mit einer zugeschnürten Kehle, was überhaupt keinen Sinn ergab.
Aber es hielt ihn davon ab, eine Antwort zu geben.
    »Danke für das Abendessen«,
sagte sie. »Und auch für den Besuch bei den St. James'.«
    »Keine Ursache.«
    Sie erhob sich, schulterte
ihre Handtasche und legte ihre Hand auf seine. »Doch, doch. Sie hätten die
Schlussfolgerungen, die Sie längst gezogen hatten, auch während unserer Teambesprechung
vorbringen können. Ich bin nicht blind, Thomas. Sie hätten mich als perfekte
Idiotin dastehen lassen und mich in Bezug auf Matsumoto zum Handeln zwingen
können, aber das haben Sie nicht getan. Sie sind ein sehr liebenswürdiger und
anständiger Mann.«
     
    24
     
    Unter Sheldon Pockworth Numismatics hatte Lynley sich einen Laden
in einer dunklen Gasse in Whitechapel vorgestellt, mit einem Eigentümer vom Typ
des Dickens'schen Mr. Venus, der mit Knochen handelte anstatt mit Medaillen und
Münzen. Was er vorfand, war jedoch weit davon entfernt. Das Geschäft war
sauber, modern eingerichtet und hell erleuchtet. Es war in der Nähe der Old
Town Hall in Chelsea in einem gepflegten Backsteinhaus an der Ecke King's Road
und Sydney Street untergebracht, wo es sich die zweifellos teuren
Verkaufsräume mit weiteren Läden teilte, die Antiquitäten, Silber, Schmuck,
Gemälde und wertvolles Porzellan verkauften.
    Einen Sheldon Pockworth gab es
nicht und hatte es nie gegeben. Stattdessen traf Lynley auf einen James Dugue,
der eher wie ein Technokrat wirkte als jemand, der mit Münzen und Militärorden
aus den Napoleonischen Kriegen handelte. Als Lynley das Geschäft betrat,
blätterte Dugue gerade in einem dicken Wälzer, der auf einem makellos sauberen
Glastresen lag. Darunter glänzten Gold- und Silbermünzen auf einem Drehgestell.
Als Mr. Dugue aufblickte, spiegelte sich das Licht in seiner eleganten
Nickelbrille. Er trug ein gestärktes rosafarbenes Hemd und eine dunkelblaue
Krawatte mit grünen Diagonalstreifen. Seine Hose war ebenfalls dunkelblau, und
als er hinter dem Tresen hervorkam, um an eine andere Vitrine zu treten,
bemerkte Lynley, dass er blütenweiße Sportschuhe ohne Socken trug. Forsch
schien das passende Wort, um ihn zu beschreiben. Und wie sich herausstellte,
auch gewissenhaft.
    Lynley war auf direktem Weg zu
dem Geschäft gefahren anstatt zuerst zum Yard. Da er in der Nähe wohnte, war
ihm das sinnvoller erschienen, und er hatte Isabelle per Handy darüber informiert.
Sie hatten nur kurz miteinander gesprochen, zögerlich und höflich. Irgendetwas
zwischen ihnen hatte sich verändert.
    Nach dem Essen am Vorabend
hatte er sie zu ihrem Wagen begleitet, obwohl sie ihm erklärt hatte, er brauche
nicht den wohlerzogenen Kavalier zu markieren. Sie sei absolut dazu in der
Lage, sich selbst zu verteidigen in dem ziemlich unwahrscheinlichen Fall, dass
sie in diesem eleganten Viertel belästigt werden sollte. Doch dann war ihr
plötzlich bewusst geworden, was sie da gesagt hatte. Sie war unvermittelt
stehen geblieben, hatte sich zu ihm umgedreht, ihm eine Hand auf den Arm
gelegt und gemurmelt: »O mein Gott. Es tut mir so leid, Thomas«, woraus er
geschlossen hatte, dass ihre Bemerkung sich auf Helen bezog, die in einem
ähnlichen Viertel und nur knapp anderthalb Kilometer von hier entfernt ermordet
worden war.
    »Danke«, hatte er erwidert.
»Aber Sie müssen wirklich nicht...« Er hatte gezögert, mehr zu sagen, und etwas
gestottert wie: »Es ist einfach so, dass...«, bevor es ihm auf der Suche nach
den passenden Worten die Sprache verschlug.
    Sie standen im Schatten einer
Buche, deren Laub sich aufgrund des trockenen, heißen Sommers bereits auf dem
Pflaster sammelte. Wieder einmal wurde ihm bewusst, dass er sich beinahe auf
Augenhöhe mit Isabelle Ardery befand: eine groß gewachsene Frau, schlank, ohne
zu dünn zu sein, mit ausgeprägten Wangenknochen, was ihm bisher

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