George, Elizabeth
Jemimas Zuneigung langfristig hätte versichern
können. Ihre Besuche bei der Hellseherin deuten darauf hin, dass sie durchaus
Zweifel in Bezug auf Frazer hatte. Warum sonst musste sie immer wieder fragen,
ob er auch wirklich der Richtige war? Nehmen wir an, er wusste von ihren
Zweifeln. Nehmen wir an, er hat die Zeichen richtig gedeutet. Verliert er
Jemima, verliert er das Vermögen. Die einzige Möglichkeit, das zu verhindern,
besteht darin, beide aus dem Weg zu räumen - Jemima und Jossie. Dann ist er alle
Sorgen los.«
Isabelle ließ sich seine Worte
durch den Kopf gehen. Lynley stand auf, lehnte sich an die Spüle und wartete
schweigend ab.
Schließlich sagte sie: »Das
erscheint mir alles ziemlich weit hergeholt, Thomas. Es gibt einfach zu vieles,
was wir nicht beweisen können. Er hat ein Alibi...«
»McHaggis lügt vielleicht.
Oder sie irrt sich. Sie sagt zwar, dass er nach Hause gekommen ist, um zu duschen,
aber das tut er immer, nicht wahr? Sie wurde Tage später danach gefragt, Isabelle, und es ist
gut möglich, dass sie ihn schützen will.«
»Warum?«
»Weil sie eine Frau ist.«
»Herrgott noch mal, was soll
das denn jetzt...«
»Die Aussagen stimmen allesamt
darin überein, dass er einen Schlag bei den Frauen hat. Warum nicht auch bei
Bella McHaggis?«
»Und was soll das heißen? Er schläft mit ihr? Mit ihr, mit Jemima,
mit... wem noch, Thomas?«
»Mit Gina Dickens, würde ich
mal vermuten.«
Sie sah ihn verblüfft an.
»Gina Dickens?«
»Denken Sie mal nach. Sie ist
ebenfalls auf einem der Fotos von der Vernissage zu sehen. Wenn Frazer dort war
- und wir wissen, dass er dort war -, ist es dann undenkbar, dass er Gina
Dickens an dem Abend kennengelernt hat? Ist es ausgeschlossen, dass er sich
dort in sie verliebt hat? Sie zur Liste seiner Eroberungen hinzugefügt hat?
Und schließlich beschlossen hat, Jemima durch sie zu ersetzen? Sie nach
Hampshire zu schicken, damit sie mit Jossie anbändelt, und...«
»Ist Ihnen eigentlich klar,
wie vieles an dem Szenario nicht belegt ist?« Sie stützte den Kopf in die
Hände. Ihr Hirn fühlte sich völlig aufgeweicht an. »Wir können dies vermuten
und jenes vermuten, Thomas, aber wir haben keine Beweise dafür, dass sich
irgendetwas davon tatsächlich so zugetragen hat. Also, was bringt das alles?«
Lynley wirkte völlig
unbeeindruckt. Es gebe Beweise, sagte er, sie hätten sie wahrscheinlich nur
noch nicht richtig zusammengesetzt.
»Zum Beispiel?«
»Erstens die Handtasche und
das blutverschmierte Hemd aus der Oxfamtonne«, sagte er. »Wir sind bisher davon
ausgegangen, dass irgendjemand beides dort deponiert hat, um den Verdacht auf
einen der Bewohner von Bella McHaggis' Pension zu lenken. Wir haben aber noch
nicht in Betracht gezogen, dass einer der Hausbewohner in dem Wissen, dass
diese Tonne nicht regelmäßig geleert wird, die Beweismittel hineingetan hat, um
sie dort zu lagern.«
»Zu lagern?«
»Bis sie nach Hampshire
gebracht werden konnten. Sie müssten Gina Dickens übergeben und irgendwo auf
Gordon Jossies Grundstück versteckt werden.«
»Gott. Das ist doch Wahnsinn.
Warum sollte er nicht einfach...«
»Hören Sie zu.« Lynley setzte
sich wieder an den Tisch. Er beugte sich vor und legte ihr eine Hand auf den
Arm. »Isabelle, es ist gar nicht so abwegig, wie es scheint. Dieses Verbrechen
hing von zwei Dingen ab. Erstens, der Mörder musste Kenntnis von Jemimas
Vergangenheit haben sowie von ihrer gegenwärtigen Situation und ihren
Absichten in Bezug auf Gordon Jossie. Zweitens, der Mörder kann nicht allein
gehandelt haben.«
»Und warum nicht?«
»Weil er sich die notwendigen
Beweisstücke besorgen musste, mit denen Gordon Jossie der Mord angehängt werden
sollte. Und diese Beweisstücke müssten in Hampshire gefunden werden: die
Mordwaffe und ein gelbes Hemd aus Jossies Kleiderschrank. Gleichzeitig musste
der Mörder wissen, was Jemima in Bezug auf Jossie unternehmen würde. Wenn
Frazer tatsächlich ihr Liebhaber war, liegt es da nicht nahe, dass sie ihm
diese Postkarten gezeigt hat, die Jossie bei seinem Versuch, Jemima ausfindig
zu machen, in der Gegend um die Galerie verteilt hatte? Liegt dann nicht die
Schlussfolgerung auf der Hand, dass Frazer Chaplin, der von diesen Karten
erfuhr und dazu bereits eine Affäre mit Gina Dickens angefangen hatte, die
Chance gewittert hat, alles zu bekommen: den Schatz, von dem er erfahren hatte,
die Mittel, sich diesen Schatz anzueignen, und zu guter Letzt auch noch Gina
Dickens?«
Isabelle
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