George, Elizabeth
dachte darüber nach.
Sie versuchte, sich den Ablauf vorzustellen: ein Anruf bei der Telefonnummer
auf der Postkarte, mit dem Gordon Jossie erklärt wurde, wo er Jemima finden
könne; Jemimas Entscheidung, Jossie an einem verschwiegenen Ort zu treffen;
jemand in Hampshire, der ein Auge auf Jossie hatte und seine Schritte
verfolgte, und jemand in London, der dasselbe mit Jemima tat; beide gingen
jeweils ein Liebesverhältnis mit Jossie und Jemima ein, über deren
gescheiterte Beziehung zueinander sie alles wussten. Beide im Kontakt miteinander
und ständig damit beschäftigt, ein kompliziertes Timing einzuhalten...
»Mir schwirrt der Kopf«, sagte
sie schließlich. »Das ist unmöglich.«
»Ist es nicht«, entgegnete
Lynley, »vor allem, wenn Gina Dickens und Frazer sich am Abend der Vernissage
kennengelernt haben. Und es hätte sogar geklappt, Isabelle. So sorgfältig, wie
es geplant war, hätte es perfekt funktioniert. Das Einzige, womit sie nicht
gerechnet haben, war Yukio Matsumotos Anwesenheit auf dem Friedhof an jenem
Tag. Frazer wusste nichts davon, dass Matsumoto Jemimas Schutzengel spielte.
Jemima wusste es wahrscheinlich nicht einmal selbst. Von daher hat weder
Frazer noch Gina Dickens damit gerechnet, dass jemand sehen würde, wie Jemima
sich mit Gordon Jossie traf und wie Gordon Jossie wieder wegging, als sie noch
lebte.«
»Wenn es denn Gordon Jossie
war.«
»Ich wüsste nicht, wer es
sonst gewesen sein könnte. Sie etwa?«
Isabelle betrachtete die
Geschichte aus jedem möglichen Blickwinkel. Also gut, es konnte so gewesen
sein. Aber es gab ein Problem bei allem, was Lynley gesagt hatte, und sie
konnte es genauso wenig ignorieren wie er. »Jemima ist schon lange weg von
Hampshire, Thomas«, sagte sie. »Falls es auf dem Grundstück, wo sie mit Gordon
Jossie gelebt hat, einen römischen Schatz gibt, warum zum Teufel hat dann
keiner von beiden - weder Jossie noch Jemima - irgendetwas in dieser Hinsicht
unternommen?«
»Genau das würde ich gern
herausfinden«, sagte er. »Aber zuerst will ich Frazers Alibi knacken.«
Immer noch im Bademantel,
begleitete sie Lynley zur Tür. Sie sah nicht viel besser aus als zu dem
Zeitpunkt, als er sie unter die Dusche gezerrt hatte, aber Lynley hatte den
Eindruck, dass ihre Lebensgeister so weit geweckt waren, dass sie sich am Abend
wahrscheinlich nicht wieder betrinken würde. Dieser Gedanke beruhigte ihn.
Warum, darüber wollte er lieber nicht nachdenken.
Sie begleitete ihn bis zu der
schmalen Treppe, die von ihrer Wohnung zur Straße hinaufführte. Er hatte die
ersten beiden Stufen bereits erklommen, als sie seinen Namen sagte. Er drehte
sich um. Sie stand unter ihm, eine Hand auf dem Geländer, als wollte sie ihm
folgen, die andere Hand am Hals, um ihren Bademantel zuzuhalten. »All das
hätte doch auch bis morgen warten können, oder?«
Er dachte einen Augenblick
nach. »Wahrscheinlich«, sagte er. »Warum also?«
»Warum jetzt anstatt morgen
früh, meinen Sie?«
»Ja.« Sie deutete mit dem Kopf
zur Wohnung, deren Tür offen stand. Drinnen brannte kein Licht. »Hatten Sie
damit gerechnet?«
»Womit?«
»Sie wissen schon.«
»Ich hielt es für möglich.«
»Und warum sind Sie trotzdem
gekommen?«
»Um Sie wieder nüchtern zu
machen? Ich wollte mich mit Ihnen über meine Ideen austauschen, und das geht
schlecht, wenn Sie nicht bei Bewusstsein sind.«
»Und warum wollten Sie das?«
»Mir gefällt das Geben und
Nehmen unter Partnern. So kann ich am besten arbeiten, Isabelle.«
»Sie wären der Richtige.« Sie
legte sich einen Zeigefinger an die Brust, wie um anzudeuten, dass sie sich auf
die Position des Superintendent bezog. »Nicht ich«, fügte sie hinzu. »Das ist
mir inzwischen klar.«
»Da bin ich anderer Meinung.
Sie haben ja selbst gesagt: Der Fall ist kompliziert. Man hat Ihnen eine
Aufgabe übertragen, bei der die Lernkurve steiler ist als alle Kurven, die ich
jemals nehmen musste.«
»Das glaube ich ganz und gar
nicht, Thomas. Trotzdem danke, dass Sie es gesagt haben. Sie sind sehr
anständig.«
»Ich denke oft das Gegenteil.«
»Dann denken Sie Unsinn.« Sie
sah ihm tief in die Augen. »Thomas«, sagte sie. »Ich...« Aber in dem Moment
schien sie der Mut zu verlassen, noch mehr zu sagen. Das war eigentlich nicht
typisch für sie, daher wartete er ab. Er ging wieder eine Stufe nach unten. Sie
stand direkt unter ihm, nicht mehr auf Augenhöhe, sondern jetzt befand sich ihr
Kopf unterhalb seiner Lippen.
Das Schweigen zwischen
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