George, Elizabeth
wahrscheinlichste Grund auch der
einleuchtendste: Gina schlug Zeit tot, damit sie, wenn Gordon Jossie zu seiner
Arbeitsstelle aufbrach, wieder in Ruhe zurückkehren konnte.
Das musste tatsächlich der
Grund sein, erkannte Meredith, denn von ihrem Versteck aus hörte sie, wie
zuerst die Tür des Mini und kurz darauf die Eingangstür zugeschlagen wurde, als
Gina ins Haus ging. Meredith stieg aus ihrem Polo und suchte sich einen guten
Aussichtspunkt, wo umherstreifende Ponys ein Guckloch in die Hecke um Gordons
Grundstück gefressen hatten. Von hier aus konnte Meredith sowohl das Haus als
auch die westliche Koppel einsehen, als Gina wieder auf der Bildfläche
erschien.
Sie hatte sich umgezogen, und
anstatt eines sommerlichen Kleids trug sie jetzt Jeans, ein T-Shirt und eine Baseballmütze.
Zielstrebig ging sie zur Scheune, verschwand darin und kam wieder heraus mit
einer Schubkarre, aus der die Griffe verschiedener Gerätschaften herausragten.
Sie schob die Karre zur westlichen Koppel, öffnete das Gatter und ging hinein.
Aus der Schubkarre und den Geräten schloss Meredith, dass Gina, nachdem die
Ponys weg waren, jetzt vorhatte, den Dung aufzuladen und zum Komposthaufen zu
bringen. Es schien eine ziemlich verrückte Betätigung für jemanden wie Gina,
aber mittlerweile hatte Meredith das Gefühl, dass so ziemlich alles möglich
war.
Zu ihrer Verblüffung jedoch
widmete sich Gina der Gartenarbeit. Anstatt Dung einzusammeln, hackte und
schnitt sie wie eine Besessene in dem wuchernden Gestrüpp am anderen Ende der
Koppel herum, wo Gordon Jossies Bemühungen, den Zaun in Ordnung zu bringen,
noch nicht sehr weit gediehen waren. Farn, Unkraut und Brombeersträucher
wucherten dort.
Und diesem Gestrüpp rückte
Gina mit beachtlichem Eifer zu Leibe.
Meredith konnte nicht umhin,
die Energie zu bewundern, mit der die Frau sich ihrer Aufgabe widmete. Den
Kraftaufwand und die Verbissenheit, die Gina an den Tag legte, würde sie selbst
höchstens fünf Minuten durchhalten, dachte Meredith. Gina schnitt Gestrüpp weg,
warf es auf einen Haufen, dann legte sie mit dem Spaten los. Sie schnitt ein
paar Ranken ab, dann grub sie wieder. Die Gemütlichkeit ihrer Landpartie war
wie weggeblasen. Sie konzentrierte sich vollkommen auf ihre Arbeit. Meredith
begann sich zu fragen, was Gina eigentlich vorhatte.
Ihr blieb jedoch kaum Zeit,
sich darüber den Kopf zu zerbrechen, denn plötzlich bog ein Wagen in die
Einfahrt von Jossies Grundstück. Er war aus der Richtung gekommen, wo sich Merediths
Versteck befand, musste also an ihr vorbeigefahren sein. Sie wartete ab, was als
Nächstes passieren würde, und irgendwie überraschte es sie ganz und gar nicht,
als Chief Superintendent Whiting sich kurz umschaute, wie um zu sehen, ob Leute
wie Meredith auf der Lauer lagen, und dann zur Koppel stapfte, um mit Gina
Dickens zu sprechen.
Als Gina Dickens nach vierzig
Minuten immer noch nicht im Forest Heath Hotel in Sway aufgetaucht war, ging
Barbara Havers davon aus, dass sie nicht mehr kommen würde. Sway lag nicht
einmal zehn Minuten mit dem Auto entfernt von Jossies Hof, und es war undenkbar,
dass Gina sich zwischen den beiden Orten irgendwo verirrt hatte. Barbara rief
Gordon Jossie auf dem Handy an, um zu hören, wo Gina blieb, erfuhr aber von
ihm, dass Gina nicht einmal eine Viertelstunde nach dem Telefonat mit Barbara
losgefahren war.
»Sie sagt, dass sie das nicht
ist auf dem Foto in der Zeitschrift«, fügte er hinzu.
Ja klar, war Barbaras unausgesprochene
Antwort. Sie beendete das Gespräch und verstaute das Handy in ihrer Tasche. Es
gab immer noch die unwahrscheinliche Möglichkeit, dass Gina Dickens irgendwo
auf dem Weg nach Sway von der Straße abgekommen war, also konnte es nicht
schaden, die Strecke zu erkunden.
Dafür brauchte Barbara nicht
lange. Auf der Fahrt von Sway bis zu Jossies Hof gab es nur zwei Abzweigungen,
und der komplizierteste Teil war das zügige Überqueren der Birchy Hill Road.
Also kein allzu kompliziertes Manöver. Dennoch fuhr Barbara im Schneckentempo,
um nicht zu übersehen, falls ein Auto in der Hecke gelandet oder ins Wohnzimmer
eines der Häuser am Straßenrand geschossen war.
Nichts dergleichen hatte sich
ereignet, auch nicht auf dem Weg zu Gordon Jossie. Als Barbara dort eintraf,
fand sie das Haus verlassen vor. Jossie würde auf der Arbeit sein, sie hatte
ihn wahrscheinlich auf irgendeinem Dach erwischt, als sie ihn auf dem Handy
angerufen hatte. Was Gina Dickens betraf, wer zum Teufel konnte
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