George, Elizabeth
finden
würden. Die Menschen vergessen nicht. Nicht so ein Verbrechen. Und deshalb
wirst du mich auch nicht erschießen. Abgesehen davon, dass du mich
wahrscheinlich sowieso verfehlst und die arme kleine Meredith direkt in den
Kopf triffst.«
»O nein.
Soweit ich das sehe«, sagte Gordon und richtete die Pistole nun auf Gina, »ist
sie diejenige, die erschossen werden muss. Lass den Spaten fallen, Gina! Es ist
vorbei. Der Schatz liegt nicht dort, Meredith wird nicht sterben, und es ist
mir scheißegal, wer meinen Namen kennt.«
Meredith
wimmerte. Sie hatte keine Ahnung, wovon sie alle redeten, aber sie wollte
Gordon die Hand hinstrecken und sich bei ihm bedanken. Er hatte irgendetwas
geopfert. Sie wusste nicht, was. Sie wusste nicht, warum. Aber es bedeutete...
Schmerz
durchzuckte sie. Feuer und Eis. Er fuhr ihr in den Kopf und durch die Augen.
Etwas explodierte, und etwas anderes gab nach. Sie sank zu Boden.
Barbara
hatte die Ecke der Scheune erreicht, als sie den Schuss hörte. Sie erstarrte,
aber nur für einen kurzen Augenblick. Als der zweite Schuss fiel, stürmte sie
hinter der Scheune hervor und auf die Koppel. Sie hörte das Geräusch schwerer
Schritte, die in ihre Richtung kamen, und die heisere Stimme eines Mannes, der
schrie: »Lass die verdammte Pistole fallen!«
Sie nahm
alles auf wie ein Standbild. Meredith Powell auf dem Boden, aus ihrem Hals
ragte ein rostiger Reetnagel. Frazer Chaplin neben ihr hingestreckt, keine zwei
Meter von Gordon Jossie entfernt. Gina Dickens, mit dem Rücken am Zaun, die
Hand vor Entsetzen vor den Mund geschlagen. Jossie, der starr die Pistole in
der Position hielt, aus der er seinen zweiten Schuss in die Luft abgefeuert
hatte.
»Barker!«,
brüllte Chief Superintendent Whiting. Er kam die Einfahrt hochgerannt.
»Leg die gottverdammte Waffe auf den Boden! Jetzt sofort!«
Und dann
auch noch der Hund, der jaulend im Kreis rannte und sprang.
»Lass sie
fallen, Barker!«
»Du hast ihn
erschossen! Du hast ihn umgebracht!«, kreischte Gina Dickens. Schreiend rannte
sie zu Frazer und warf sich über ihn.
»Verstärkung
ist unterwegs, Mr. Jossie«, rief Barbara. »Legen Sie die Waffe...«
»Halten Sie
ihn auf! Mich erschießt er als Nächstes!« Der Hund kläffte wie verrückt.
»Kümmert
euch um Meredith«, sagte Jossie. »Kann sich verdammt noch mal irgendjemand um
Meredith kümmern!«
»Lass erst
die verdammte Waffe fallen!«
»Ich hab
gesagt...«
»Willst du,
dass sie auch stirbt? Genau wie der Junge? Geht dir einer ab beim Töten, lan?«
Jossie
richtete die Waffe auf Whiting. »Töten«, sagte er. »Was für eine gottverdammte
Sinnlosigkeit.«
Der Hund
jaulte.
»Nicht
schießen«, rief Barbara. »Tun Sie's nicht, Mr. Jossie.« Sie rannte zu der
gekrümmt am Boden liegenden Meredith. Der Reetnagel steckte ihr bis zur Hälfte
der Spitze im Hals, hatte jedoch nicht die Halsschlagader getroffen. Meredith
war bei Bewusstsein, aber sie stand unter Schock. Jetzt kam es auf Minuten an.
Jossie musste es erfahren. »Sie lebt, Mr. Jossie, sie lebt. Legen Sie die
Waffe weg. Lassen Sie uns gehen. Sie können nichts mehr tun.«
»Sie irren
sich«, sagte Jossie. Und drückte noch einmal ab.
Michael Spargo, Reggie Arnold
und lan Barker wanderten zur Verbüßung des ersten Teils ihrer Strafe in Secure
Units. Aus verständlichen Gründen wurden sie voneinander getrennt in
unterschiedlichen Gefängnissen des Landes untergebracht. Die Zielsetzung der
Secure Units lautet Erziehung und - häufig, jedoch nicht immer und »abhängig
von der Kooperation des Gefangenen« - Therapie. Informationen darüber, wie gut
sich die Jungen in diesen Einrichtungen führten, sind für die Öffentlichkeit
nicht zugänglich, aber bekannt ist, dass mit Erreichen des fünfzehnten
Lebensjahrs ihre Zeit in den Units endete und sie anschließend in sogenannte
Jugendeinrichtungen verlegt wurden, im Klartext: Gefängnisse für jugendliche
Straftäter. Mit achtzehn wurden sie in Hochsicherheitsgefängnisse verlegt, wo
sie den Rest ihrer vom Europäischen Gerichtshof festgelegten Strafe absaßen.
Zehn Jahre.
Diese Zeit ist natürlich schon
lange vorbei. Alle drei Jungen - mittlerweile erwachsene Männer - wurden
wieder in die Gesellschaft eingegliedert. Ebenso wie die berüchtigten Kinderkriminellen
Mary Bell, Jon Venables und Robert Thompson erhielten auch diese drei Jungen
eine neue Identität. Wohin jeder von ihnen entlassen wurde, ist bis heute ein
streng gehütetes Geheimnis, und ob sie sich zu
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