George, Elizabeth
standen
Schulter an Schulter, sie standen Schlange an den Kassen, sie schoben sich
zwischen Regalen, Kleiderständern und Wühltischen hindurch, schrien gegen die
stampfende Musik in ihre Handys, probierten Modeschmuck an: hielten sich Ohrringe
an die Ohren, Halsketten an die Hälse, Armbänder an die Handgelenke. Barbara
fühlte sich, als wäre ihr schlimmster Albtraum wahr geworden.
»Ist es nicht großartig?«,
schwärmte Hadiyyah. »Ich hab meinen Vater schon so oft gefragt, ob er mal mit
mir herkommt, aber er sagt, die Oxford Street ist der reine Wahnsinn. Er sagt,
keine zehn Pferde würden ihn hierher kriegen! Er sagt, die Oxford Street ist
die Londoner Version von... ich kann mich nicht erinnern, aber es war was
Schlimmes.«
Dantes Inferno, dachte
Barbara. Ein Kreis der Hölle, in den Frauen wie sie geworfen wurden, die sich
gegen Modetrends sträubten, denen ihre äußere Erscheinung gleichgültig war und
die einfach unmöglich aussahen, egal was sie anzogen.
»Aber ich finde es super
hier«, rief Hadiyyah. »Ich wusste es! Ich wusste es einfach!«
Und damit flitzte sie in den
Laden. Barbara blieb nichts anderes übrig, als ihr zu folgen.
Sie verbrachten mörderische
neunzig Minuten bei Topshop, wo das Fehlen einer Klimaanlage - schließlich befanden
sie sich in London, wo die Leute immer noch glaubten, es gäbe höchstens vier
oder fünf heiße Tage im Jahr - und ungefähr tausend Teenager auf
Schnäppchenjagd Barbara zu der Überzeugung gelangen ließen, dass sie nun für
alle irdischen Sünden gebüßt hatte und nicht nur für die, die sie gegen die
Haute Couture begangen hatte. Doch von dort zogen sie weiter zu Jigsaw und dann zu H&M, wo sie in ein ähnliches
Inferno gerieten wie bei Topshop, verschlimmert nur durch Kleinkinder, die nach ihren
Müttern, Eis, Lutschern, Schoßhunden, Hotdogs, Pizza, Fish and Chips und allem
anderen schrien, was ihnen in ihrem durchgedrehten Zustand in den Sinn kam.
Auf Hadiyyahs Drängen hin - »Barbara, sieh dir bloß mal an, wie der Laden
heißt!« - hatten sie dieselbe Erfahrung bei Accessorize gemacht und waren schließlich
bei Marks
& Spencer gelandet, was Hadiyyah mit einem Stöhnen quittiert hatte.
»Hier kauft Mrs. Silver ihre Schlüpfer, Barbara«, sagte sie, als
könnte sie das aufhalten. »Willst du etwa aussehen wie Mrs. Silver?«
»Nein, dann schon eher wie
Dame Edna.« Barbara betrat das Kaufhaus. »Dem Himmel sei Dank für kleine
Wohltaten«, bemerkte Barbara zu Hadiyyah, die ihr widerwillig folgte. »Hier
gibt's nicht nur Schlüpfer, sondern auch eine Klimaanlage.«
Alles, was sie bisher
ergattert hatten, waren eine Halskette von Accessorize, die Barbara nicht allzu
bescheuert vorkam, und einige Schminkutensilien von Boots, die Hadiyyah ausgesucht hatte.
Allerdings bezweifelte Barbara, dass sie die jemals benutzen würde. Sie hatte
sich überhaupt nur dazu überreden lassen, die Schminksachen zu kaufen, weil
Hadiyyah es heldenhaft hingenommen hatte, dass Barbara bisher schlichtweg alles
abgelehnt hatte, was das Mädchen für sie von den Kleiderständern angelte. Es
war nur fair, in irgendeinem Punkt nachzugeben, und Schminke schien das
Einfachste zu sein.
Sie hatte ihren Einkaufskorb
also gefüllt mit Grundierung, Rouge, Lidschatten, Eyeliner, Wimperntusche,
mehreren Lippenstiften in scheußlichen Farben, vier verschiedenen Pinseln und
einem Döschen mit Puder, der »alles kaschiert«, wie Hadiyyah ihr versichert
hatte. Bei ihrer Auswahl hatte Hadiyyah sich anscheinend an den morgendlichen
Ritualen ihrer Mutter orientiert, die offenbar ein ganzes Arsenal an Tiegeln
und »Döschen mit allem Möglichen« besaß. »Sie sieht immer großartig aus,
Barbara, wart's nur ab, wenn du sie kennenlernst!«
In den vierzehn Monaten, seit
Barbara mit Hadiyyah und ihrem Vater eine nachbarschaftliche Freundschaft
pflegte, war sie der Mutter des Mädchens noch nicht ein einziges Mal begegnet,
und Barbara dämmerte allmählich, was in Wahrheit dahintersteckte, wenn
Hadiyyah erklärte, sie sei nach Kanada in Urlaub gefahren.
Als Barbara, verstimmt ob der
überflüssigen Ausgaben, fragte: »Reicht nicht ein bisschen Rouge?«, schnaubte
Hadiyyah nur verächtlich: »Also wirklich, Barbara«, und beließ es dabei.
Sobald Barbara bei Marks & Spencer irgendetwas ansteuerte, das
Hadiyyah als »passend für Mrs. Silver« erachtete, wurde sie gnadenlos in eine
andere Richtung gezerrt. »Du weißt schon...« Das Mädchen war entschlossen, mit
der Grundlage jeder
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