George, Elizabeth
doch auch keine Rolle, oder?
Natürlich tat es das nicht. Es
ging um eine Leiche - die einer jungen Frau. Sie lehnte an der Wand des kleinen
Anbaus, die Beine vor sich ausgestreckt, als wäre sie, nachdem sie angegriffen
wurde, rückwärts gestolpert und an der Wand hinuntergerutscht. Die Wand war
verwittert, und über der Leiche befand sich ein Graffito mit einem Auge in
einem Dreieck und dem Text: »God Goes Wireless«.
Der Steinboden war übersät mit
Müll. Der Tod hatte die junge Frau inmitten von Chipstüten, Sandwichpapier,
Schokoriegelverpackungen und leeren Coladosen ereilt. Zwischen all dem Abfall
lag ein Pornoheft, das jedoch erst kürzlich hier hinterlassen worden sein
musste. Es war neu und unzerknittert. Es war aufgeschlagen bei einem
Hochglanzfoto von einer breitbeinig dasitzenden Frau mit knallrot geschminktem
Schmollmund, die nichts weiter trug als Lederstiefel und einen Zylinderhut.
Was für ein entwürdigender
Ort, den Tod zu rinden, dachte Isabelle. Sie ging in die Hocke, um das Opfer
näher in Augenschein zu nehmen. Der Gestank, der von der Leiche ausging,
drehte ihr den Magen um: Fleisch, das bei drückender Hitze verrottete. Frisch
geschlüpfte Maden krochen in den Nasenlöchern und im Mund herum, und das Gesicht
und der Hals der Toten hatten sich bereits grünlich-rot verfärbt.
Der Kopf der jungen Frau lag
auf ihrer Brust, die mit geronnenem Blut bedeckt war. Auch dort wimmelte es
von Fliegen, und das Summen wirkte in dem geschlossenen Raum wie das Geräusch
von Hochspannungsleitungen. Als Isabelle den Kopf der jungen Frau vorsichtig
anhob, um den Hals sehen zu können, flog von einer hässlichen Wunde ein Schwarm
Fliegen auf. Die Wundränder waren gezackt und ausgerissen: das Werk eines
Mörders, der ungeschickt war im Umgang mit seiner Waffe.
»Halsschlagader«, sagte die
Rechtsmedizinerin. Sie zeigte auf die Hände der Toten, die die Spurensicherung
mit Plastiktüten umhüllt hatte. »Sieht so aus, als hätte sie versucht, die
Blutung zu stoppen, aber es war zwecklos. Sie muss ziemlich schnell verblutet
sein.«
»Tatwaffe?«
»Am Tatort wurde keine
gefunden. Irgendein scharfkantiges Objekt. Genaueres können wir erst sagen,
wenn wir sie auf dem Tisch haben. Jedenfalls kein Messer. Dafür ist die Wunde
viel zu ausgefranst.«
»Wie lange, schätzen Sie, ist
sie schon tot?«
»Schwer zu sagen bei der
Hitze. Die Totenflecke haben sich schon gebildet, und die Leichenstarre hat
sich aufgelöst. Vielleicht seit vierundzwanzig Stunden.«
»Wissen wir, wer sie ist?«
»Sie hat nichts bei sich. Es
wurde auch keine Handtasche am Tatort gefunden. Nichts, was auf ihre Identität
schließen ließe. Aber die Augen... Die werden Ihnen bei der Identifizierung
helfen.«
»Die Augen? Warum? Was ist
damit?«
»Sehen Sie selbst«, sagte die
Medizinerin. »Sie sind trüb, wie zu erwarten, aber die Iris ist noch erkennbar.
Sehr interessant, wenn Sie mich fragen. Solche Augen sieht man nicht oft.«
Nach Alan Dressers Aussage,
die später von den Angestellten der Filiale bestätigt wurde, war die
McDonald's-Filiale an diesem Tag ungewöhnlich gut besucht. Möglicherweise
nutzten auch andere Eltern kleiner Kinder das schöne Wetter für einen Ausflug;
jedenfalls scheinen sie alle dasselbe Ziel gehabt zu haben. Dresser war mit
einem quengelnden Kleinkind unterwegs, und er räumte ein, dass er John
möglichst schnell etwas zu essen besorgen, nach Hause bringen und dann ins Bett
stecken wollte. Er setzte den Jungen an einen von drei freien Tischen - den
zweiten neben dem Eingang - und trat an den Tresen, um seine Bestellung aufzugeben.
Man kann Dresser im Nachhinein
vorwerfen, dass er seinen Sohn eine halbe Minute lang unbeaufsichtigt ließ,
aber zur selben Zeit hielten sich in der McDonald's-Filiale mindestens zehn
Mütter mit mindestens zweiundzwanzig Kindern auf. Wie hätte er auf die Idee
kommen sollen, dass an einem solchen öffentlichen Ort mitten am Tag eine
unvorstellbare Gefahr lauerte? Wenn man in einer derartigen Situation überhaupt
an Gefahr denkt, stellt man sich wohl eher herumlungernde Pädophile vor, die
auf eine günstige Gelegenheit warten, und nicht drei Jungen unter zwölf
Jahren. Keiner der Anwesenden wirkte auch nur im Geringsten gefährlich.
Tatsächlich war Dresser der einzige männliche Erwachsene vor Ort.
Auf den Bildern der
Überwachungskameras sind drei Jungen zu sehen, die sich um 12:51 Uhr der
McDonald's-Filiale nähern. Sie wurden später als Michael Spargo, lan
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